Nicht jede Erbschaft ist ein Gewinn. In manchen Fällen kann ein Nachlass mehr Schulden als Vermögen enthalten – oder mit rechtlichen und familiären Konflikten verbunden sein. In solchen Situationen bietet das deutsche Erbrecht die Möglichkeit, eine Erbschaft auszuschlagen. Doch wie funktioniert die Ausschlagung, welche Fristen sind zu beachten, und was passiert nach der Ausschlagung? In diesem Beitrag erfährst du alles Wichtige über die Ausschlagung einer Erbschaft – von der rechtlichen Grundlage über den Ablauf bis hin zu den Konsequenzen für Erben und Nachfolger.
Was bedeutet die Ausschlagung einer Erbschaft?
Die Ausschlagung einer Erbschaft bedeutet, dass ein gesetzlicher oder testamentarischer Erbe das Erbe nicht annimmt und dadurch keine Rechte und Pflichten aus dem Nachlass übernimmt.
Wichtig: Wer ausschlägt, wird rückwirkend so behandelt, als hätte er nie zum Kreis der Erben gehört (§ 1953 BGB).
Gründe für die Ausschlagung
Es gibt mehrere Situationen, in denen die Ausschlagung sinnvoll oder notwendig sein kann:
- Der Nachlass ist überschuldet
- Es bestehen rechtliche Streitigkeiten (z. B. um Testamente)
- Der Erbe möchte mögliche Pflege- oder Unterhaltspflichten vermeiden
- Es gibt familiäre Konflikte oder moralische Gründe
Auch minderjährige Kinder, die als Erben eingesetzt wurden, benötigen eine gerichtliche Genehmigung, wenn die Erbschaft ausgeschlagen wird.
Gesetzliche Grundlagen
Die Ausschlagung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, insbesondere:
- § 1942 ff. BGB: Ausschlagung der Erbschaft
- § 1953 BGB: Wirkungen der Ausschlagung
- § 1944 BGB: Fristen
Wie funktioniert die Ausschlagung?
Die Ausschlagung erfolgt nicht automatisch – sie muss aktiv und formwirksam erklärt werden, entweder:
- Zur Niederschrift beim Nachlassgericht
- In öffentlich beglaubigter Form (z. B. durch einen Notar)
Eine formlose schriftliche Mitteilung reicht nicht aus. Die Erklärung muss persönlich abgegeben und unterschrieben sein – bei minderjährigen Erben durch die gesetzlichen Vertreter.
Fristen für die Ausschlagung
Die Ausschlagung ist innerhalb von sechs Wochen möglich – gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe von seiner Erbschaft erfährt (§ 1944 BGB).
Fristbeginn:
- Bei gesetzlichen Erben: ab Kenntnis des Todes und der Erbenstellung
- Bei testamentarischen Erben: ab Bekanntgabe des Testaments durch das Nachlassgericht
Verlängerte Frist (6 Monate):
- Wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte
- Oder der Erbe sich im Ausland aufhält
Wichtig: Nach Ablauf der Frist gilt das Erbe als angenommen – stillschweigend.
Folgen der Ausschlagung
Wer eine Erbschaft ausschlägt:
- Verliert alle Ansprüche, aber auch alle Verpflichtungen aus dem Nachlass
- Wird nicht Teil der Erbengemeinschaft
- Gibt auch Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse auf, sofern sie nicht separat eingefordert werden
💡 Die Erbschaft geht auf den nächsten Erben in der gesetzlichen Erbfolge über – dieser kann ebenfalls ausschlagen.
Erbfolge nach Ausschlagung
Nach einer Ausschlagung treten die nächsten Personen in der gesetzlichen Erbfolge an die Stelle des ausgeschlagenen Erben.
Beispiel:
- Vater verstirbt → Sohn schlägt Erbe aus
→ Erbe fällt an die Tochter (nächste gesetzliche Erbin)
→ Wenn auch diese ausschlägt → Erbe geht an Enkelkinder
Dies kann zu Kettenreaktionen führen – alle Beteiligten müssen über ihre Rechte und Pflichten informiert sein.
Sonderfall: Ausschlagung bei überschuldetem Nachlass
Ein besonders häufiger Fall ist die Ausschlagung bei einem überschuldeten Nachlass. Erben haften grundsätzlich auch für die Schulden des Erblassers, sofern sie das Erbe annehmen.
Anzeichen für Überschuldung:
- Mahnungen oder Inkassoschreiben im Namen des Verstorbenen
- Keine Vermögenswerte vorhanden
- Informationen vom Nachlassgericht oder Gläubigern
Tipp: Nachlassverzeichnis anfordern, um Klarheit über Vermögens- und Schuldensituation zu bekommen.
Ausschlagung durch minderjährige Erben
Wenn Kinder Erben sind, müssen die gesetzlichen Vertreter (meist die Eltern) die Ausschlagung erklären.
Besonderheiten:
- Familiengerichtliche Genehmigung erforderlich, sofern durch die Ausschlagung kein rechtlicher Vorteil besteht
- Ausschlagung kann problematisch sein, wenn z. B. ein Elternteil gleichzeitig Erbe und gesetzlicher Vertreter ist → in solchen Fällen kann ein Ergänzungspfleger bestellt werden
Rücknahme oder Anfechtung der Ausschlagung
In bestimmten Fällen kann eine Ausschlagung angefochten werden (§ 1954 BGB):
- Irrtum über Überschuldung oder Vermögenswerte
- Täuschung oder Drohung durch Dritte
- Fristversäumnis unverschuldet
Frist zur Anfechtung: 6 Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes
Achtung: Die Anfechtung muss ebenfalls formgerecht erfolgen.
Formulare und Kosten
Die Ausschlagung kann über ein standardisiertes Formular beim Nachlassgericht oder über einen Notar erfolgen.
Kosten:
- Beim Nachlassgericht: ca. 30 €
- Beim Notar: abhängig vom Nachlasswert, i. d. R. zwischen 50 € und 200 €
Häufige Fragen zur Ausschlagung einer Erbschaft (FAQs)
Sechs Wochen ab Kenntnis – in Sonderfällen (z. B. Auslandswohnsitz) sechs Monate.
Nein – es gilt das Prinzip „Ganz oder gar nicht“. Eine teilweise Ausschlagung ist nicht möglich.
Ja – entweder beim Nachlassgericht (zur Niederschrift) oder über einen Notar.
Dann gilt die Erbschaft automatisch als angenommen – inklusive aller Schulden.
Nur durch Anfechtung unter bestimmten Voraussetzungen und mit Fristwahrung.
Fazit: Ausschlagung gut überlegen und rechtzeitig handeln
Die Ausschlagung einer Erbschaft ist ein wichtiges Instrument, um sich vor finanziellen Risiken aus einem Nachlass zu schützen – etwa bei Überschuldung oder persönlichen Gründen. Doch die Entscheidung muss sorgfältig und rechtzeitig getroffen werden. Nur wer die Fristen kennt, das Verfahren korrekt durchführt und sich im Zweifel beraten lässt, kann ungewollte Haftung oder rechtliche Nachteile vermeiden. Bei Unsicherheit sollte professionelle Unterstützung – etwa durch einen Fachanwalt oder Notar – in Anspruch genommen werden.