Krankheit

Der Begriff Krankheit begegnet uns täglich – ob in Gesprächen, Nachrichten oder beim Blick auf den eigenen Gesundheitszustand. Doch was genau ist unter einer Krankheit eigentlich zu verstehen? Die Antwort hängt stark vom jeweiligen Kontext ab. Während Mediziner auf biologische, funktionelle oder psychische Veränderungen achten, stellen Juristen auf konkrete Rechtsfolgen ab. Für die Beurteilung in sozialrechtlichen, arbeitsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Zusammenhängen ist daher eine präzise Definition unverzichtbar.

Im medizinischen Sinne bezeichnet Krankheit einen Zustand der körperlichen, geistigen oder seelischen Störung, der von der Norm abweicht und einer Heilbehandlung bedarf. Dies kann von einer Grippe über Rückenschmerzen bis hin zu Depressionen oder chronischen Leiden reichen. Der Begriff ist dabei nicht an bestimmte Diagnosen gebunden, sondern beschreibt vielmehr das Vorliegen einer pathologischen Abweichung, die den normalen Ablauf körperlicher oder psychischer Funktionen beeinträchtigt.

Juristisch ist Krankheit jede regelwidrige körperliche oder geistige Veränderung des Zustands, die eine ärztliche Behandlung notwendig macht oder die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Entscheidend ist also nicht nur das subjektive Empfinden des Betroffenen, sondern ob objektiv eine gesundheitliche Störung mit Relevanz für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder die Arbeitsfähigkeit vorliegt. Diese Definition wird unter anderem im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG), des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) und des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) herangezogen.

Krankheit als sozialrechtlicher Begriff – Bedeutung für Arbeitnehmer, Versicherte und Versicherer

Im Sozialrecht spielt der Begriff „Krankheit“ eine zentrale Rolle – insbesondere im Hinblick auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 192 Absatz 1 SGB V besteht Versicherungsschutz für die Behandlung von Krankheiten, deren Früherkennung und deren Verhütung. Die Krankenkassen übernehmen nicht nur die Kosten für Arztbesuche, Medikamente und Krankenhausaufenthalte, sondern auch Leistungen zur Rehabilitation und – unter bestimmten Bedingungen – Krankengeldzahlungen.

Damit eine Leistungspflicht der Krankenkasse eintritt, muss eine Krankheit im Sinne des Gesetzes vorliegen. Dies bedeutet, dass eine regelwidrige Körper- oder Geistestätigkeit diagnostiziert und ärztlich bescheinigt werden muss. Darüber hinaus gilt: Nicht jede körperliche Beeinträchtigung ist automatisch eine Krankheit. Beispielsweise gelten Schwangerschaft, Alterserscheinungen oder kosmetische Merkmale wie Glatzenbildung nicht als Krankheit im Sinne des SGB V, sofern sie nicht mit Beschwerden oder behandlungsbedürftigen Zuständen einhergehen.

Für Arbeitnehmer ist die rechtliche Einstufung als Krankheit entscheidend für den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser Anspruch ist in § 3 EntgFG geregelt und setzt eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit voraus, die weder vorsätzlich noch grob fahrlässig selbst verschuldet wurde. Der Arbeitnehmer muss zudem seit mindestens vier Wochen ununterbrochen beim Arbeitgeber beschäftigt sein.

Auch private Versicherer – etwa im Rahmen einer privaten Krankenversicherung oder Krankentagegeldversicherung – orientieren sich an juristisch fundierten Krankheitsbegriffen. Sie prüfen im Leistungsfall genau, ob eine bedingungsgemäße Krankheit vorliegt, ob die erforderlichen Nachweise vorliegen und ob der Versicherte seinen Obliegenheiten nachgekommen ist.

Krankheit im Arbeitsrecht: Rechte und Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit

Im arbeitsrechtlichen Kontext entfaltet die Krankheit vor allem dann Wirkung, wenn sie zur Arbeitsunfähigkeit führt. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist enger gefasst als der der Krankheit: Nicht jede Krankheit macht zwingend arbeitsunfähig. Wer beispielsweise an einer leichten Erkältung leidet, kann unter Umständen weiterhin seiner Tätigkeit im Homeoffice nachgehen – je nach Art der Tätigkeit und körperlicher Verfassung.

Wird jedoch eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit festgestellt, sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer an bestimmte Regeln gebunden. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen – idealerweise telefonisch am ersten Tag der Erkrankung. Dauert die Krankheit länger als drei Kalendertage an, muss spätestens am vierten Tag ein ärztliches Attest („Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“) vorgelegt werden – § 5 EntgFG.

Ein wichtiger Aspekt: Arbeitgeber können bereits ab dem ersten Krankheitstag ein Attest verlangen, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt (z. B. häufiger Kurzerkrankungen, Verdacht auf Missbrauch). Verweigert der Arbeitnehmer die Vorlage, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Abmahnung oder – bei wiederholtem Verstoß – Kündigung.

Für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Gehalt für bis zu sechs Wochen fortzuzahlen. Danach greift – sofern die Krankheit weiterhin besteht – das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Relevanz von Krankheit

Krankheit ist nicht nur ein individuelles Gesundheitsproblem, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Thema. In einer alternden Bevölkerung nehmen chronische Erkrankungen, psychische Leiden und degenerative Beschwerden zu – mit erheblichen Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, den Arbeitsmarkt und die Sozialversicherungen. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung steigen kontinuierlich, ebenso die Zahl der Fehltage in Unternehmen.

Laut Daten des Bundesministeriums für Gesundheit entfallen jährlich über 400 Millionen Fehltage auf krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Besonders häufige Ursachen: Muskel-Skelett-Erkrankungen (z. B. Rückenleiden), psychische Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Verletzungen. Diese Ausfallzeiten kosten die Volkswirtschaft Milliarden – durch Produktivitätsausfälle, Lohnfortzahlungen und erhöhte Ausgaben der Krankenkassen.

Gleichzeitig wird Krankheit zunehmend enttabuisiert. Gesellschaftliche Debatten über mentale Gesundheit, Burnout oder Long Covid zeigen, dass Krankheit kein Randphänomen ist, sondern zur Lebensrealität vieler Menschen gehört. Gesundheitsförderung, Prävention und betriebliche Gesundheitsmaßnahmen gewinnen daher an Bedeutung.


Übergang von der Lohnfortzahlung zum Krankengeld

Wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig wird, hat er gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) zunächst Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber – für eine Dauer von bis zu sechs Wochen. Doch was geschieht, wenn die Krankheit darüber hinaus andauert? In diesem Fall springt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein und zahlt Krankengeld – geregelt in § 44 ff. SGB V. Der Übergang ist für den Versicherten nahtlos, sofern die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen fortbesteht und ordnungsgemäß nachgewiesen wird.

Das Krankengeld beträgt in der Regel 70 % des Bruttoarbeitsentgelts, jedoch maximal 90 % des Nettoarbeitsentgelts – und ist auf einen Höchstbetrag begrenzt. Es wird frühestens ab dem Tag nach dem Ende der Entgeltfortzahlung gezahlt und ist zeitlich auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Krankheit beschränkt. Dabei wird die Bezugsdauer aller Krankengeldzahlungen für dieselbe Diagnose zusammengezählt – unabhängig davon, ob zwischenzeitlich eine Arbeitsaufnahme erfolgt ist.

Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld

Damit ein Anspruch auf Krankengeld entsteht, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Versicherungspflicht in der GKV: Nur gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld. Privatversicherte erhalten stattdessen Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung – sofern vertraglich vereinbart.
  2. Ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit: Die Arbeitsunfähigkeit muss spätestens am Werktag nach Ablauf der Entgeltfortzahlung mit einem ärztlichen Attest (AU-Bescheinigung) nachgewiesen werden. Eine rückwirkende Bescheinigung wird von den Krankenkassen regelmäßig abgelehnt.
  3. Lückenlose Dokumentation: Entscheidend für die lückenlose Zahlung von Krankengeld ist eine ununterbrochene ärztliche Feststellung. Bereits ein Tag ohne Attest kann zu Leistungslücken oder sogar zur Ablehnung führen.
  4. Einreichung bei der Krankenkasse: Seit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) sind Ärzte verpflichtet, die AU digital an die Krankenkasse zu übermitteln. Dennoch sollten Versicherte sicherstellen, dass die Übermittlung tatsächlich erfolgt ist.
  5. Mitwirkungspflicht: Versicherte sind verpflichtet, bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer Dauer mitzuwirken, ggf. an Untersuchungen teilzunehmen oder auf Aufforderung der Krankenkasse einen Gutachtertermin beim Medizinischen Dienst (MD) wahrzunehmen.

Typische Probleme beim Krankengeldanspruch

Trotz klarer gesetzlicher Regelungen kommt es in der Praxis häufig zu Problemen – meist durch Verzögerungen bei der Krankschreibung, unvollständige AU-Bescheinigungen oder fehlende Kommunikation zwischen Arzt, Patient und Krankenkasse. Besonders kritisch sind Lücken in der Krankschreibung – also Tage, an denen keine gültige Arbeitsunfähigkeit dokumentiert ist. In diesen Fällen wird das Krankengeld ersatzlos gestrichen, auch rückwirkend.

Ebenso problematisch sind Differenzen bei der Diagnose. Wird eine neue Krankschreibung mit einer anderen Diagnose versehen, beginnt aus Sicht der Krankenkasse eine neue Erkrankung – die sechs Wochen Lohnfortzahlung beginnen dann erneut, was den Anspruch auf Krankengeld unterbricht. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um eine Folgeerkrankung handelt. Versicherte sollten daher mit ihren Ärzten genau abstimmen, ob die Diagnose der früheren Erkrankung weiterhin gilt.

Die Rolle der privaten Krankenversicherung und der Krankentagegeldtarife

Privatversicherte haben keinen Anspruch auf Krankengeld im Sinne des SGB V. Stattdessen können sie eine Krankentagegeldversicherung abschließen, die im Krankheitsfall eine vorher festgelegte tägliche Geldleistung auszahlt. Anders als im gesetzlichen System richtet sich die Höhe des Krankentagegeldes nach der gewählten Versicherungssumme – und nicht nach dem realen Nettoeinkommen. Je höher die Absicherung, desto höher der Beitrag.

Wichtig ist: Bei längerer Krankheit muss auch in der privaten Versicherung der Leistungsfall ärztlich nachgewiesen werden. Zudem verlangen viele Versicherer Folgebescheinigungen im 14-Tage-Rhythmus und führen – insbesondere bei längerer Leistungsdauer – medizinische Überprüfungen durch. Auch in der privaten Krankenversicherung gilt: Wer seine Mitwirkungspflichten verletzt oder ärztliche Anordnungen ignoriert, riskiert den Verlust der Leistung.

Besondere Konstellationen: Krankheit während der Elternzeit, Arbeitslosigkeit oder im Ausland

Ein häufiger Sonderfall ist Krankheit während der Elternzeit. Wer während der Elternzeit erkrankt, hat in der Regel keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeld, da in dieser Zeit kein Einkommen bezogen wird. Allerdings kann in bestimmten Fällen ElterngeldPlus weitergezahlt werden. Wer hingegen trotz Elternzeit geringfügig arbeitet und durch Krankheit ausfällt, kann unter Umständen Anspruch auf Krankengeld haben – abhängig von der Art der Beschäftigung und der Versicherung.

Auch bei Arbeitslosigkeit gelten spezielle Regeln: Bezieher von Arbeitslosengeld I erhalten bei Krankheit Krankengeld in Höhe des ALG I, sobald die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen andauert. Bei ALG II (Bürgergeld) handelt es sich hingegen um eine Grundsicherungsleistung, die unabhängig von der Krankheitsdauer weitergezahlt wird – hier tritt keine Krankengeldzahlung im engeren Sinne ein.

Wer sich im Ausland aufhält und dort erkrankt, sollte besondere Vorsicht walten lassen. Zwar besteht auch im EU-Ausland grundsätzlich Anspruch auf medizinische Versorgung, jedoch nur im Rahmen des Notwendigen. Ein Krankengeldanspruch besteht nur, wenn die Krankheit der deutschen Krankenkasse ordnungsgemäß gemeldet und eine weitere Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen wird. Bei geplanter Auslandsreise während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich eine Genehmigung durch die Krankenkasse erforderlich.

Psychische Krankheiten – wenn die Seele streikt

Psychische Erkrankungen sind in den letzten Jahren immer stärker in den gesellschaftlichen Fokus gerückt – und das aus gutem Grund: Depressionen, Angststörungen, Burn-out oder posttraumatische Belastungsstörungen zählen zu den häufigsten Ursachen für Krankschreibungen und langfristige Arbeitsunfähigkeit. Laut Daten der Krankenkassen ist fast jeder fünfte Arbeitsausfall mittlerweile auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen.

Dabei ist die Hürde zur Krankschreibung häufig höher als bei körperlichen Leiden. Viele Betroffene zögern, sich einzugestehen, dass ihre psychische Belastung ein krankheitswertiges Ausmaß erreicht hat. Noch immer ist das Thema in Teilen der Gesellschaft tabuisiert, was zu einer gefährlichen Verschleppung führen kann. Hinzu kommt, dass psychische Erkrankungen – im Gegensatz zu vielen körperlichen – nicht sichtbar sind. Umso wichtiger ist ein offener, sensibler Umgang im beruflichen Umfeld sowie ein tragfähiges medizinisches und therapeutisches Unterstützungsnetz.

Rechtlich gelten psychische Erkrankungen selbstverständlich als vollwertige Krankheit im Sinne des § 2 SGB V – mit denselben Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung, Krankengeld und medizinische Behandlung. Für die Diagnose ist in der Regel ein Facharzt für Psychiatrie oder ein ärztlicher Psychotherapeut zuständig. Wichtig: Der Begriff „Burn-out“ ist keine offizielle Diagnose, sondern ein Zustandsbild – häufig wird daraus eine Depression (ICD-10: F32) oder eine Anpassungsstörung (F43) diagnostiziert.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Dauer und Verlauf psychischer Erkrankungen. Viele Krankenkassen hinterfragen bei längerer Krankschreibung den Heilungsverlauf, fordern Atteste oder Gutachten und beauftragen den Medizinischen Dienst. Wichtig ist daher eine lückenlose Dokumentation aller Behandlungsmaßnahmen – von der Psychotherapie über stationäre Aufenthalte bis hin zur Medikation.

Chronische Erkrankungen: Definition und rechtliche Relevanz

Der Begriff chronische Krankheit ist rechtlich und medizinisch von großer Bedeutung. Nach der Definition des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gilt eine Krankheit als chronisch, wenn sie:

  • mindestens ein Jahr lang ärztlich behandelt wurde,
  • eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität oder Teilhabe bedeutet und
  • regelmäßige medizinische Versorgung erfordert.

Typische Beispiele sind Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Rheuma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Morbus Crohn oder Krebserkrankungen. Auch psychische Leiden wie Depressionen oder Schizophrenie können chronisch sein, wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen.

Die Anerkennung einer chronischen Erkrankung ist keine bloße Formalität, sondern mit wichtigen rechtlichen Konsequenzen verbunden. So haben chronisch Kranke etwa Anspruch auf:

  • einen ermäßigten Eigenanteil bei Zuzahlungen (1 % statt 2 % der Bruttoeinnahmen),
  • spezialisierte Behandlungsprogramme (DMP = Disease Management Programme),
  • einen erleichterten Zugang zu Rehabilitation, Pflegeleistungen und ggf. Schwerbehindertenausweis.

Die entsprechende Feststellung erfolgt durch die Krankenkasse auf Antrag, wobei ärztliche Nachweise und Befunde einzureichen sind. Entscheidend ist hier die Dokumentation durch den behandelnden Arzt, die Krankenkassen prüfen genau, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Langzeiterkrankung und Erwerbsfähigkeit

Wer über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig ist, rückt zwangsläufig in den Fokus der sozialrechtlichen Prüfungen zur Erwerbsfähigkeit. Spätestens nach 78 Wochen Krankengeld innerhalb von drei Jahren ist Schluss – der Anspruch endet unabhängig davon, ob die Krankheit noch besteht. Was dann folgt, ist für viele Betroffene eine existenzielle Zäsur: Sie werden von der Krankenkasse an die Rentenversicherung weitergeleitet und müssen ggf. einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen.

Die Erwerbsminderung richtet sich nicht nach dem zuletzt ausgeübten Beruf, sondern danach, ob der Betroffene unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts noch mindestens drei bzw. sechs Stunden täglich arbeiten kann. Wer das nicht kann, gilt als teilweise oder vollständig erwerbsgemindert und hat Anspruch auf Rente – vorausgesetzt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt (Mindestversicherungszeit, Pflichtbeiträge etc.).

Auch wer keine Rente erhält, muss sich auf Veränderungen einstellen: Viele Langzeiterkrankte verlieren den Krankenversicherungsschutz als Mitglied der GKV, wenn sie aus dem Krankengeldbezug herausfallen und keine neue Versicherungspflicht (z. B. durch Arbeitsaufnahme oder ALG I) entsteht. In diesem Fall ist ein Antrag auf freiwillige Versicherung notwendig, um den lückenlosen Versicherungsschutz zu wahren.

Teilhabe am Arbeitsleben und betriebliche Wiedereingliederung

Für viele chronisch oder psychisch erkrankte Menschen stellt sich nicht nur die Frage nach medizinischer Heilung, sondern nach der Rückkehr in den Beruf. Hier greift das Instrument der betrieblichen Wiedereingliederung, auch Hamburger Modell genannt. Ziel ist es, dem Betroffenen eine stufenweise Rückkehr in den Arbeitsalltag zu ermöglichen – ohne sofortige volle Belastung. Der Arbeitnehmer bleibt während dieser Phase arbeitsunfähig und bezieht Krankengeld, während er schrittweise wieder Tätigkeiten aufnimmt.

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet Arbeitgeber zudem, mit Arbeitnehmern, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank waren, ein BEM-Gespräch zu führen. Hierbei sollen mögliche Unterstützungsmaßnahmen – etwa Arbeitsplatzausstattung, Arbeitszeitreduktion, Schulungen oder Versetzungen – besprochen werden. Die Teilnahme am BEM ist freiwillig, sollte aber im Interesse des Arbeitnehmers genutzt werden, um langfristige Perspektiven zu schaffen.

In schwereren Fällen, etwa bei dauerhafter gesundheitlicher Beeinträchtigung, kommen auch Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation infrage – von Umschulungen über berufsfördernde Maßnahmen bis hin zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA). Träger ist in der Regel die Rentenversicherung.


Arbeitsrechtliche Dimensionen von Krankheit

Krankheit betrifft nicht nur die individuelle Gesundheit, sondern berührt auch das Arbeitsverhältnis auf rechtlicher Ebene. Zentrales Prinzip: Erkrankung schützt nicht pauschal vor Kündigung – aber sie beeinflusst deren Zulässigkeit maßgeblich. Arbeitnehmer dürfen wegen einer Krankheit nicht diskriminiert werden (§ 1 AGG), gleichzeitig sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, Arbeitsverhältnisse unbegrenzt aufrechtzuerhalten, wenn keine Rückkehr absehbar ist.

Kommt es zum krankheitsbedingten Ausfall, gelten die Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG): Der Arbeitgeber zahlt für bis zu sechs Wochen den Lohn weiter, sofern die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt ist und kein Eigenverschulden vorliegt (z. B. bei Arbeitsunfällen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss). Nach Ablauf dieser Frist übernimmt die Krankenkasse die Lohnersatzleistung in Form von Krankengeld.

Kündigung im Krankheitsfall: Voraussetzungen und Grenzen

Eine Kündigung während einer Krankheit ist rechtlich nicht ausgeschlossen, muss aber strenge Voraussetzungen erfüllen. Sie fällt unter die Kategorie der personenbedingten Kündigung, insbesondere unter den Unterfall der krankheitsbedingten Kündigung. Die Anforderungen hat die Rechtsprechung – vor allem das Bundesarbeitsgericht (BAG) – im Laufe der Jahre konkretisiert.

Damit eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist, müssen drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  1. Negative Gesundheitsprognose: Es muss objektiv erkennbar sein, dass auch künftig mit weiteren erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist.
  2. Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers: Etwa durch wiederholte Produktionsausfälle, Mehrbelastung des Teams oder hohe Entgeltfortzahlungskosten.
  3. Keine andere zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit: Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.

Diese Hürden sind bewusst hoch, um Arbeitnehmer in Krankheitsphasen zu schützen. Eine Kündigung allein wegen der Diagnose ist unzulässig. Entscheidend ist stets die konkrete Belastung des Arbeitgebers – sowohl wirtschaftlich als auch organisatorisch.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer fällt seit drei Jahren immer wieder jeweils mehrere Wochen wegen chronischer Rückenschmerzen aus. Trotz verschiedener Therapien bessert sich der Zustand nicht. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung prüfen lassen, muss aber darlegen, warum keine leidensgerechte Tätigkeit möglich ist und wie hoch die wirtschaftliche Belastung tatsächlich ist.

Nachweispflichten, Fehlverhalten und Abmahnung

Erkrankte Arbeitnehmer sind verpflichtet, ihre Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen (§ 5 EFZG) und bei Erkrankungen von mehr als drei Kalendertagen ein ärztliches Attest vorzulegen. Der Arbeitgeber darf sogar ab dem ersten Krankheitstag ein Attest verlangen – ohne besonderen Grund. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, riskiert er eine Abmahnung oder im Wiederholungsfall sogar eine verhaltensbedingte Kündigung.

Besonders kritisch wird es, wenn der Verdacht auf Simulierung oder genesungswidriges Verhalten besteht – etwa, wenn der krankgeschriebene Arbeitnehmer bei körperlich anstrengenden Freizeitaktivitäten beobachtet wird (Fußballspiel, Umzug, Partys etc.). In diesen Fällen kann der Arbeitgeber eine Beweislastumkehr anstreben, allerdings müssen konkrete Anhaltspunkte bestehen. Verdachtskündigungen sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig und bedürfen häufig einer Interessenabwägung.

Ein häufiges Missverständnis: Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, den genauen Diagnosetext zu verlangen – dieser unterliegt dem ärztlichen Berufsgeheimnis und darf nur auf Wunsch des Arbeitnehmers offengelegt werden. Auch die Krankenkasse erhält lediglich eine codierte Diagnose (ICD-Code), nicht aber medizinische Akteninhalte.

Sonderkündigungsschutz: Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsräte

Bestimmte Personengruppen genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der auch im Krankheitsfall gilt:

  • Schwangere (§ 17 MuSchG): Während der Schwangerschaft und bis zu vier Monate nach der Entbindung ist die Kündigung grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde möglich.
  • Schwerbehinderte (§§ 168 ff. SGB IX): Hier muss vor jeder Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt werden. Die bloße Schwerbehinderung ist jedoch kein absoluter Kündigungsschutz – vielmehr wird geprüft, ob die Kündigung mit der Behinderung in Zusammenhang steht und ob zumutbare Alternativen bestehen.
  • Betriebsratsmitglieder (§ 15 KSchG): Sie genießen einen Sonderkündigungsschutz, der auch bei längerer Krankheit gilt. Eine Kündigung ist hier praktisch nur bei Betriebsschließung oder in schwerwiegenden Ausnahmefällen möglich.

Zudem gibt es tarifliche oder arbeitsvertragliche Regelungen, die weitere Schutzmechanismen enthalten können – etwa Ausschlussfristen, Verlängerung der Entgeltfortzahlung oder Rückkehrrechte bei Krankheit.

Wichtige Urteile und Beispiele

Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung ist reich an Entscheidungen zur krankheitsbedingten Kündigung. Einige Leiturteile haben besondere Relevanz:

  • BAG, Urteil vom 12.04.2002 (2 AZR 148/01): Eine Kündigung wegen Krankheit ist zulässig, wenn mit wiederholten Fehlzeiten von über sechs Wochen jährlich zu rechnen ist.
  • BAG, Urteil vom 10.12.2009 (2 AZR 400/08): Arbeitgeber müssen im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses die Beeinträchtigung des Betriebs konkret darlegen – pauschale Hinweise auf Störungen reichen nicht.
  • LAG Hessen, Urteil vom 08.02.2021 (7 Sa 493/20): Eine Kündigung wegen Krankheit ist trotz 18-monatiger Krankschreibung unwirksam, wenn keine konkrete negative Prognose erstellt wurde.

Die Urteile verdeutlichen: Eine krankheitsbedingte Kündigung ist rechtlich möglich, aber kein Automatismus. Es braucht sorgfältige Dokumentation, belastbare Prognosen und einen fairen Umgang mit dem erkrankten Mitarbeiter.

Krankengeld als Lohnersatzleistung der Krankenkasse

Wer länger als sechs Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig ist, erhält nach dem Ende der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse (§ 44 SGB V). Diese Leistung beträgt in der Regel 70 % des Bruttoeinkommens, jedoch maximal 90 % des Nettoeinkommens. Die Zahlung ist beitragsfrei zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, jedoch beitragspflichtig zur Krankenversicherung.

Das Krankengeld wird längstens für 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Krankheit gezahlt – dabei werden Unterbrechungen von weniger als sechs Monaten als durchgehende Arbeitsunfähigkeit gewertet. Betroffene sollten frühzeitig den Ablauf dieser Frist im Blick behalten, da sich danach die Frage einer möglichen Erwerbsminderungsrente stellt.

Wichtig: Das Krankengeld muss nicht gesondert beantragt werden – es wird automatisch gezahlt, wenn eine lückenlose Krankschreibung und Versicherungsmitgliedschaft besteht. Kommt es zu einem Krankengeldbezug, endet auch das Arbeitsverhältnis nicht automatisch – der Arbeitgeber kann allerdings eine krankheitsbedingte Kündigung prüfen lassen (siehe Teil 4).

Übergangsgeld bei Reha-Maßnahmen und beruflicher Wiedereingliederung

Wenn infolge einer Krankheit medizinische oder berufliche Rehabilitationsmaßnahmen notwendig sind, kann anstelle des Krankengeldes Übergangsgeld gezahlt werden. Zuständig ist in der Regel die Deutsche Rentenversicherung oder – bei Arbeitsunfällen – die gesetzliche Unfallversicherung (§§ 20–21 SGB VI, §§ 45 ff. SGB IX).

Das Übergangsgeld dient dazu, während einer medizinischen Reha oder einer stufenweisen Wiedereingliederung (z. B. nach einem Schlaganfall oder Burnout) ein existenzsicherndes Einkommen zu gewährleisten. Es beträgt:

  • Für Versicherte mit Kind: 75 % des letzten Nettoarbeitsentgelts
  • Für Versicherte ohne Kind: 68 %

Auch das Übergangsgeld ist zeitlich begrenzt und wird nur bei aktiver Rehamaßnahme gezahlt. Sobald diese abgeschlossen ist, greift entweder erneut das Krankengeld oder – im Falle fortbestehender Erwerbsunfähigkeit – die Erwerbsminderungsrente.

Erwerbsminderungsrente bei dauerhafter krankheitsbedingter Einschränkung

Wenn infolge einer Krankheit dauerhaft keine oder nur eingeschränkte Erwerbsfähigkeit mehr besteht, kann die gesetzliche Rentenversicherung auf Antrag eine Rente wegen Erwerbsminderung gewähren (§§ 43 ff. SGB VI). Unterschieden wird zwischen:

  • Voller Erwerbsminderung: Wenn die betroffene Person weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann – egal in welchem Beruf.
  • Teilweiser Erwerbsminderung: Wenn die betroffene Person zwischen drei und sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Voraussetzungen für die Bewilligung:

  1. Erfüllung der Wartezeit: Mindestens 60 Monate Beitragszeit zur gesetzlichen Rentenversicherung
  2. Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen: In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge vorliegen
  3. Nachweis der eingeschränkten Leistungsfähigkeit: Mittels ärztlicher Gutachten und medizinischer Unterlagen

Die Höhe der Erwerbsminderungsrente hängt von der bisherigen Erwerbsbiografie, dem Rentenversicherungskonto und dem Rentenbeginn ab. In der Praxis sind abschlagsfreie Renten nur unter bestimmten Bedingungen möglich, z. B. bei besonders langen Versicherungszeiten. Wer eine Erwerbsminderungsrente bezieht, darf nur in begrenztem Umfang hinzuverdienen – die sogenannten Hinzuverdienstgrenzen variieren je nach Rentenart.

Soziale Sicherung bei Krankheit: Mehr als nur Lohnersatz

Krankheit ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine soziale Lebenslage. Das deutsche Sozialrecht sieht daher ein Netz ineinandergreifender Absicherungen vor – insbesondere durch die gesetzliche Kranken-, Renten-, Pflege- und Unfallversicherung. Hinzu kommen Leistungen aus dem Sozialhilferecht oder dem Arbeitsförderungsrecht:

  • SGB V (Krankenversicherung): regelt medizinische Versorgung, Krankengeld, Reha-Leistungen
  • SGB VI (Rentenversicherung): zuständig für Erwerbsminderungsrente, Übergangsgeld, Reha-Förderung
  • SGB IX (Teilhabe und Inklusion): enthält Regelungen zur beruflichen Wiedereingliederung und Teilhabe am Arbeitsleben
  • SGB XII (Sozialhilfe): greift bei dauerhaftem Hilfebedarf, wenn keine anderen Leistungen zur Verfügung stehen

Besonderes Augenmerk liegt heute auf der frühzeitigen Reha und der beruflichen Wiedereingliederung. Das sogenannte „Reha vor Rente“-Prinzip zielt darauf ab, krankheitsbedingte Frühverrentung möglichst zu vermeiden. Arbeitgeber, Betriebsärzte und Krankenkassen arbeiten dabei mit Reha-Trägern eng zusammen.


FAQ zum Thema „Krankheit“

Wie lange darf man krank sein, ohne den Job zu verlieren?
Grundsätzlich gibt es keine gesetzliche Obergrenze. Eine Kündigung wegen Krankheit ist aber nur unter engen Voraussetzungen zulässig – etwa bei langfristiger negativer Gesundheitsprognose, erheblichen betrieblichen Belastungen und fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit.

Was ist der Unterschied zwischen Krankengeld und Übergangsgeld?
Krankengeld wird von der Krankenkasse nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit gezahlt, Übergangsgeld hingegen von der Rentenversicherung bei Reha-Maßnahmen oder beruflicher Wiedereingliederung.

Bekomme ich bei längerer Krankheit automatisch Erwerbsminderungsrente?
Nein. Erwerbsminderungsrente muss gesondert beantragt werden und setzt neben medizinischer Notwendigkeit auch bestimmte Versicherungszeiten voraus.

Darf der Arbeitgeber während der Krankheit kündigen?
Ja, aber nur bei krankheitsbedingter Kündigung unter engen rechtlichen Voraussetzungen. Eine Kündigung „wegen Krankheit“ allein reicht nicht – sie muss durch konkrete betriebliche Belastungen begründet sein.

Was passiert, wenn die 78 Wochen Krankengeld vorbei sind?
Nach Auslaufen des Krankengeldes prüft die Krankenkasse, ob z. B. ein Anspruch auf Reha oder Erwerbsminderungsrente besteht. Andernfalls greift ggf. die Sozialhilfe oder Grundsicherung.