Überstunden gehören für viele Arbeitnehmer zum Alltag – sei es durch Personalengpässe, Auftragsspitzen oder freiwilliges Engagement. Doch wann gelten geleistete Stunden tatsächlich als Überstunden? Müssen sie bezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen werden? Und darf der Arbeitgeber sie einfach anordnen? In diesem Beitrag erfährst du alles, was du über Überstunden wissen musst – von der rechtlichen Definition über Vergütung bis hin zu Höchstarbeitszeiten und Beweislast.
Was sind Überstunden?
Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Sie treten ein, wenn ein Arbeitnehmer mehr arbeitet, als im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung vorgesehen ist.
Wichtig: Überstunden beginnen nicht erst ab 8 oder 10 Stunden – sondern ab dem Überschreiten der individuell vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit.
Beispiel:
- Arbeitsvertraglich vereinbart: 38 Stunden/Woche
- Tatsächlich gearbeitet: 44 Stunden → 6 Überstunden
Gesetzliche Grundlagen
In Deutschland regelt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die maximal zulässige Arbeitszeit:
- Maximal 8 Stunden pro Werktag
- Erweiterbar auf 10 Stunden, wenn innerhalb von 6 Monaten ein Ausgleich auf durchschnittlich 8 Stunden erfolgt
- Pausenpflicht ab 6 Stunden Arbeitszeit (min. 30 Minuten)
Darüber hinaus sind Überstunden arbeitsvertraglich, tariflich oder betrieblich geregelt.
Anordnung und Zulässigkeit von Überstunden
Darf der Arbeitgeber Überstunden verlangen?
Nicht automatisch. Es braucht eine Rechtsgrundlage:
- Arbeitsvertragliche Regelung („… ist zur Leistung von Überstunden verpflichtet“)
- Tarifvertragliche Regelung
- Betriebliche Übung oder dringender betrieblicher Bedarf
Ohne solche Regelungen darf der Arbeitgeber keine einseitige Anordnung treffen – mit Ausnahme von Notfällen (z. B. zur Gefahrenabwehr).
Muss ich Überstunden leisten?
Nur, wenn du dazu verpflichtet bist:
- Durch den Arbeitsvertrag
- Aufgrund tariflicher Vorgaben
- In Notfällen (z. B. bei Gefahr für Personen oder Betrieb)
Ohne vertragliche Pflicht kannst du Überstunden ablehnen – insbesondere bei gesundheitlichen oder familiären Gründen.
Nachweis und Dokumentation
Seit dem EuGH-Urteil von 2019 sind Arbeitgeber verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten vollständig zu erfassen – inklusive Überstunden. Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer, wenn es um die Vergütung von Überstunden geht.
💡 Tipp:
- Führe ein eigenes Stundenerfassungssystem (Excel, App, handschriftlich)
- Lass Überstunden schriftlich anordnen oder bestätigen
Vergütung von Überstunden
1. Bezahlung
Wenn nichts anderes geregelt ist, müssen Überstunden bezahlt werden – auf Basis des vereinbarten Stundenlohns.
- Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen gelten spezielle Zuschläge (z. B. 25 %).
- Zuschläge bei Arbeit zu besonderen Zeiten (z. B. Nachtarbeit, Sonn-/Feiertagen) sind üblich, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben.
2. Freizeitausgleich
Statt Bezahlung können Überstunden auch durch Freizeitausgleich abgegolten werden – sofern das im Arbeitsvertrag oder durch Vereinbarung vorgesehen ist.
👉 Wichtig: Beide Seiten müssen einverstanden sein, wenn der Arbeitsvertrag keine eindeutige Regelung enthält.
Überstunden bei Teilzeitbeschäftigung
Bei Teilzeitkräften gelten Stunden erst dann als Überstunden, wenn die reguläre Vollzeit-Arbeitszeit überschritten wird – alles darunter gilt als Mehrarbeit.
Beispiel:
- Teilzeitkraft arbeitet 20 Stunden/Woche
- Vollzeit = 40 Stunden
→ Bei 25 Stunden: 5 Stunden Mehrarbeit, aber keine Überstunden im arbeitsrechtlichen Sinn
Tarifverträge können abweichende Regelungen treffen – etwa ab der 35. oder 38-Stunden-Grenze.
Überstunden im Arbeitsvertrag: Klauseln und Fallstricke
Einige Arbeitsverträge enthalten Klauseln wie:
- „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.“
- „Bis zu 10 Überstunden im Monat sind unvergütet.“
Solche Klauseln sind nur dann wirksam, wenn:
- die Anzahl der abgegoltenen Stunden klar beziffert ist, und
- das Gehalt nicht unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung liegt
Unklare oder pauschale Formulierungen sind intransparent und damit rechtlich unwirksam.
Überstunden bei Kündigung oder Krankheit
Kündigung
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht Anspruch auf:
- Auszahlung nicht genommener Überstunden, oder
- Freizeitausgleich während der Kündigungsfrist
Krankheit
Erkrankst du während eines geplanten Freizeitausgleichs, verfallen die Überstunden nicht – sofern du ein ärztliches Attest vorlegst.
Höchstgrenzen: Wie viele Überstunden sind erlaubt?
Laut Arbeitszeitgesetz:
- Max. 10 Stunden pro Tag (inkl. Überstunden)
- 60 Stunden pro Woche nur vorübergehend erlaubt
- Im Halbjahresdurchschnitt: max. 48 Stunden/Woche
Dauerhafte Überschreitungen verstoßen gegen das ArbZG und können zu Bußgeldern führen.
Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte
- Überstundenvergütung zählt zum steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn
- Sie ist auch sozialversicherungspflichtig
- Überstundenpauschalen oder Zuschläge können steuerlich anders behandelt werden – je nach Höhe und Zweck
Für Arbeitgeber: Überstunden müssen in der Lohnabrechnung separat ausgewiesen werden.
Häufige Fragen zu Überstunden (FAQs)
Sobald die individuell vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird – nicht erst nach 8 Stunden.
Nur, wenn eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung vorliegt oder in Notfällen.
Wenn keine vertragliche Regelung existiert: einvernehmliche Entscheidung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Nein – sie zählen als normaler Bruttoarbeitslohn.
Ja – wenn keine Pflicht besteht oder persönliche Gründe überwiegen (z. B. Kinderbetreuung, gesundheitliche Belastung).
Fazit: Überstunden rechtlich sicher leisten und abrechnen
Überstunden sind in vielen Berufen unvermeidlich – aber sie unterliegen klaren Regeln. Arbeitnehmer sollten wissen, wann sie Überstunden leisten müssen, wie sie vergütet werden und wie man sie korrekt dokumentiert. Arbeitgeber wiederum sind verpflichtet, Überstunden zu erfassen und fair zu behandeln – ob durch Freizeitausgleich oder Vergütung. Eine transparente Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag schützt beide Seiten und verhindert Konflikte. Denn eins ist sicher: Nur wer seine Rechte kennt, arbeitet wirklich fair – auch nach Feierabend.