Ob Lebensversicherung, Rentenversicherung oder Unfallversicherung – die Frage, wer im Leistungsfall das Geld erhält, ist von entscheidender Bedeutung. Diese Regelung erfolgt über das sogenannte Bezugsrecht, das entweder widerruflich oder unwiderruflich ausgestaltet sein kann. Besonders das widerrufliche Bezugsrecht ist in der Praxis weit verbreitet – weil es dem Versicherungsnehmer maximale Flexibilität bietet. Doch was genau bedeutet es? Welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? Und wann wird ein widerrufliches Bezugsrecht möglicherweise automatisch unwiderruflich? In diesem Beitrag erfährst du, was du als Versicherungsnehmer unbedingt wissen solltest.
Was ist ein widerrufliches Bezugsrecht? – Definition
Ein widerrufliches Bezugsrecht bedeutet, dass der Versicherungsnehmer den in seinem Versicherungsvertrag benannten Begünstigten (Bezugsberechtigten) jederzeit und ohne Zustimmung des Begünstigten ändern oder widerrufen kann.
Es handelt sich um die Standardform des Bezugsrechts bei den meisten privaten Versicherungsverträgen.
Wann wird ein Bezugsrecht eingesetzt?
Das Bezugsrecht wird typischerweise bei folgenden Versicherungen vergeben:
- Lebensversicherung (Risiko oder Kapital)
- Rentenversicherung (klassisch oder fondsgebunden)
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Unfallversicherung mit Todesfallleistung
Ziel ist es, bereits zu Lebzeiten festzulegen, wer im Versicherungsfall die Leistung erhält – unabhängig von der Erbfolge.
Merkmale des widerruflichen Bezugsrechts
Merkmal | Widerrufliches Bezugsrecht |
---|---|
Änderung möglich? | Ja, jederzeit durch Versicherungsnehmer |
Zustimmung des Begünstigten? | Nein, nicht erforderlich |
Form der Änderung | Schriftlich gegenüber dem Versicherer |
Gültigkeit bei Tod des Versicherungsnehmers | Letztgültige Erklärung zählt |
Erbschaftsteuerpflicht | Ja, bei Auszahlung an Dritte |
💡 Solange kein Leistungsfall eingetreten ist und der Versicherungsnehmer lebt, bleibt er alleiniger Entscheidungsträger.
Wie wird das Bezugsrecht eingerichtet?
Meist erfolgt die Eintragung:
- Direkt bei Vertragsabschluss (häufig im Antragsformular)
- Oder nachträglich schriftlich durch Mitteilung an die Versicherung
Beispielhafte Formulierungen:
- „Meine Ehefrau, Frau Sabine Mustermann, geb. 01.01.1980“
- „Meine Kinder zu gleichen Teilen“
- „Witwe/Witwer oder Erben des Versicherungsnehmers“
💡 Wichtig: Allgemeine Begriffe („meine Ehefrau“) können bei Scheidung oder Tod zu Unklarheiten führen – daher möglichst konkrete Angaben machen.
Unterschiede zum unwiderruflichen Bezugsrecht
Kriterium | Widerruflich | Unwiderruflich |
---|---|---|
Änderbarkeit | jederzeit ohne Zustimmung | nur mit Zustimmung des Begünstigten |
Rechte des Begünstigten | keine rechtliche Position | rechtlich geschützter Anspruch |
Zugriff auf Versicherung | nur durch Versicherungsnehmer | teils Einschränkungen |
Steuerliche Wirkung | Leistung fällt in Nachlass | fällt nicht in Nachlass |
Das unwiderrufliche Bezugsrecht kommt oft bei Schenkungen, Scheidungen, Unterhaltsvereinbarungen oder Erbregelungen zum Einsatz.
Wann wird ein widerrufliches Bezugsrecht automatisch unwiderruflich?
Ein ursprünglich widerrufliches Bezugsrecht wird automatisch unwiderruflich, wenn:
- Der Begünstigte den Anspruch ausdrücklich angenommen hat
- Der Versicherungsfall eingetreten ist (z. B. Tod)
- Der Versicherungsnehmer den Widerruf nicht mehr selbst erklären kann (z. B. bei Geschäftsunfähigkeit ohne Vorsorgevollmacht)
➡️ Ab diesem Moment kann das Bezugsrecht nicht mehr geändert werden.
Praxisbeispiel: Auswirkungen im Todesfall
Ein Mann schließt eine Lebensversicherung ab und setzt seine Ehefrau als Bezugsberechtigte ein – widerruflich. Nach der Scheidung vergisst er, die Bezugsberechtigung zu ändern. Nach seinem Tod erhält die Ex-Frau die Versicherungssumme – trotz neuer Partnerin oder vorhandener Kinder.
💡 Lektion: Widerrufliches Bezugsrecht muss aktiv angepasst werden – sonst bleibt die ursprüngliche Regelung bestehen.
Steuerliche Auswirkungen
Die Auszahlung an den Begünstigten unterliegt möglicherweise der Erbschaftsteuer:
- Bei widerruflichem Bezugsrecht: Leistung fällt in den Nachlass
- Bei Auszahlung an nicht verheiratete Lebenspartner oder Dritte: Erbschaftsteuer mit nur 20.000 € Freibetrag
Freibeträge im Überblick:
Beziehung zum Verstorbenen | Freibetrag bei Erbschaftsteuer |
---|---|
Ehepartner | 500.000 € |
Kinder | 400.000 € |
Enkel | 200.000 € |
Andere Personen | 20.000 € |
💡 Eine sorgfältige Planung kann steuerliche Nachteile vermeiden – ggf. durch Anpassung auf unwiderruflich + frühzeitige Übertragung.
So änderst du ein widerrufliches Bezugsrecht
Schritt-für-Schritt-Anleitung:
- Neue Person auswählen (z. B. Partner, Kind, Stiftung)
- Änderung schriftlich gegenüber dem Versicherer mitteilen
- Bestätigung der Änderung vom Versicherer abwarten
- Bei mehreren Verträgen: Alle Bezugsrechte separat prüfen!
⚠️ Änderungen im Testament ersetzen nicht das Bezugsrecht! Nur Mitteilungen an die Versicherung sind rechtswirksam.
Tipps zur Praxis
✅ Bezugsrecht regelmäßig prüfen (bei Trennung, Geburt, Todesfall)
✅ Klare Formulierungen verwenden
✅ Änderungen rechtzeitig und schriftlich mitteilen
✅ Steuerliche Auswirkungen mit einem Steuerberater klären
✅ Bei größeren Summen: Juristische Beratung zur Erbregelung
Häufige Fragen (FAQs)
Was ist ein widerrufliches Bezugsrecht?
Ein Bezugsrecht, das du jederzeit ohne Zustimmung des Begünstigten ändern kannst – solange der Versicherungsfall nicht eingetreten ist.
Wann wird ein widerrufliches Bezugsrecht unwiderruflich?
Wenn der Begünstigte den Anspruch angenommen hat oder der Versicherungsfall eintritt.
Kann ich das Bezugsrecht im Testament ändern?
Nein – das Bezugsrecht muss direkt bei der Versicherung geändert werden.
Was passiert, wenn kein Bezugsberechtigter angegeben ist?
Die Versicherungsleistung fällt in den Nachlass und wird nach gesetzlicher Erbfolge verteilt.
Ist ein widerrufliches Bezugsrecht steuerlich nachteilig?
Kann sein – insbesondere bei Auszahlung an Personen mit geringem Freibetrag → ggf. Gestaltung als Schenkung prüfen.
Fazit: Widerrufliches Bezugsrecht – flexibel, aber nicht folgenlos
Das widerrufliche Bezugsrecht bietet dem Versicherungsnehmer maximale Flexibilität – doch genau diese Freiheit bringt Verantwortung mit sich. Wer versäumt, das Bezugsrecht nach persönlichen Veränderungen anzupassen, riskiert ungewollte Auszahlungen, Erbschaftssteuern oder Streit unter Angehörigen. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Planung, klaren Formulierungen und regelmäßiger Überprüfung lässt sich das Bezugsrecht gezielt einsetzen – und das sorgt für Sicherheit und Fairness im Ernstfall.