Bedarfsgemeinschaft

Wer Bürgergeld (früher Hartz IV) beantragt, muss nicht nur seine eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenlegen – sondern auch die der Bedarfsgemeinschaft. Denn staatliche Hilfe wird nicht isoliert pro Person, sondern gemeinsam für alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft berechnet. Doch wer gehört eigentlich dazu? Welche Regeln gelten? Und wie beeinflusst das Einkommen eines Partners oder Kindes die Höhe der Leistung? In diesem Beitrag erfährst du alles, was du zum Begriff „Bedarfsgemeinschaft“ wissen musst – rechtlich fundiert, praxisnah erklärt und auf dem Stand von 2024.


Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?

Eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB II) ist eine Gruppe von Personen, die gemeinsam in einem Haushalt leben und gegenseitig für ihren Lebensunterhalt einstehen – sei es durch gesetzliche Unterhaltspflichten oder tatsächliche Lebensgemeinschaft.

Das Jobcenter betrachtet die Bedarfsgemeinschaft als wirtschaftliche Einheit – auf deren Grundlage Leistungen wie das Bürgergeld berechnet werden.


Wer gehört zur Bedarfsgemeinschaft?

Gemäß § 7 Abs. 3 SGB II gehören dazu:

  1. Antragsteller (erwerbsfähiger Leistungsberechtigter)
  2. Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner, auch wenn sie selbst kein Bürgergeld beantragen
  3. Partner in eheähnlicher Gemeinschaft, wenn sie im gemeinsamen Haushalt leben
  4. Unverheiratete Kinder unter 25 Jahren, wenn sie im Haushalt leben und ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können
  5. Kinder der Partner, sofern sie ebenfalls im Haushalt leben und unterhaltsberechtigt sind

Wer gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft?

  • Kinder über 25 Jahre (eigene Bedarfsgemeinschaft)
  • Eltern und Großeltern des Antragstellers
  • Geschwister
  • Mitbewohner in Wohngemeinschaften ohne gemeinsame Wirtschaft
  • Pflegekinder
  • Vermieter oder Untermieter

➡️ Diese Personen können im gleichen Haushalt wohnen, gelten aber als Haushalts- oder Wohngemeinschaft, nicht als Bedarfsgemeinschaft.


Unterscheidung: Bedarfsgemeinschaft vs. Haushaltsgemeinschaft

KriteriumBedarfsgemeinschaftHaushaltsgemeinschaft
Wirtschaftliche Einheit?Ja, gemeinsames WirtschaftenNein, ggf. nur gemeinsames Wohnen
Berücksichtigung beim Bürgergeld?Ja – Einkommen wird angerechnetNur teilweise (z. B. bei Unterhaltspflicht)
BeispieleEhepartner, Eltern mit Kindern unter 25WG-Mitbewohner, erwachsene Geschwister

💡 In einer Haushaltsgemeinschaft kann bei Verwandtschaftsverhältnis eine Unterstützungsvermutung greifen – z. B. bei erwachsenen Kindern, die bei Eltern wohnen.


Bedeutung für die Berechnung des Bürgergelds

In einer Bedarfsgemeinschaft wird das Einkommen und Vermögen aller Mitglieder berücksichtigt. Das bedeutet:

  • Einkommen eines Partners kann Leistungen reduzieren oder ausschließen
  • Das gesamte Existenzminimum wird gemeinsam berechnet (Regelbedarf + Unterkunftskosten)
  • Freibeträge gelten individuell, aber das Gesamteinkommen wird angerechnet

Beispiel:

  • Eine Mutter lebt mit zwei Kindern (6 und 16 Jahre) zusammen
  • Die Mutter arbeitet halbtags, die Kinder gehen zur Schule
  • → Es entsteht eine Bedarfsgemeinschaft mit drei Personen

Auswirkungen von Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft

Positives Beispiel:

  • Partner arbeitet in Vollzeit, verdient 2.200 € netto
  • Antragstellerin selbst erwerbslos
  • Ergebnis: Kein Bürgergeld, weil der Bedarf der Gemeinschaft gedeckt ist

Negatives Beispiel:

  • Alleinstehende Person erhält Bürgergeld
  • Kind zieht zurück in den Haushalt (25 Jahre, verdient eigenes Geld)
  • → Eigene Bedarfsgemeinschaft, Leistungen bleiben unberührt

➡️ Einkommen in der Bedarfsgemeinschaft kann zu einer Kürzung oder Streichung der Leistung führen – auch wenn es nur ein Mitglied betrifft.


Bedarfsgemeinschaft bei getrennt lebenden Eltern

Lebt ein Kind abwechselnd bei beiden Elternteilen (Wechselmodell), ist entscheidend:

  • Wo der Lebensmittelpunkt liegt (z. B. Schulweg, Hauptaufenthalt)
  • Dort zählt das Kind zur Bedarfsgemeinschaft
  • Kindergeld und Unterhaltszahlungen werden entsprechend aufgeteilt und angerechnet

Bedarfsgemeinschaft bei Studierenden

  • Studierende in BAföG-geförderten Vollzeitstudiengängen sind vom Bürgergeld ausgeschlossen
  • Leben sie mit Eltern oder Geschwistern zusammen, entstehen getrennte Bedarfsgemeinschaften
  • Ausnahme: Studierende mit Kind können für sich und das Kind Leistungen erhalten

Besonderheit: Temporäre Bedarfsgemeinschaft

  • Entsteht z. B. bei getrennt lebenden Eltern mit Umgangsregelung
  • Für die Zeit, in der das Kind beim nicht betreuenden Elternteil lebt, kann eine temporäre Bedarfsgemeinschaft entstehen
  • Es wird anteilig für das Kind Bürgergeld gewährt (z. B. bei Ferienaufenthalt)

Rechtsschutz und Widerspruch

Nicht jede Einstufung als Bedarfsgemeinschaft ist korrekt. Du kannst:

Widerspruch gegen Bescheid einlegen
Klarstellen, dass keine wirtschaftliche Gemeinschaft besteht (z. B. bei WGs)
Einkommen einzelner Personen prüfen lassen
✅ Im Zweifel rechtliche Beratung in Anspruch nehmen


Häufige Fragen (FAQs)

Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?
Eine Gruppe von Personen, die im gleichen Haushalt leben und gemeinsam wirtschaften – etwa Ehepartner, Lebenspartner, Eltern mit Kindern unter 25.

Wie wirkt sich das Einkommen eines Partners aus?
Es wird auf den gesamten Bedarf der Gemeinschaft angerechnet und kann den Anspruch auf Bürgergeld verringern oder ausschließen.

Gehören Kinder über 25 zur Bedarfsgemeinschaft?
Nein – sie bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft.

Bin ich mit meinem WG-Mitbewohner eine Bedarfsgemeinschaft?
Nein – solange keine wirtschaftliche Gemeinschaft besteht (z. B. getrennte Konten, Einkäufe), gilt es als Wohngemeinschaft.

Wie kann ich eine Bedarfsgemeinschaft nachweisen oder bestreiten?
Durch Mietverträge, getrennte Konten, eidesstattliche Erklärungen – im Zweifel durch Widerspruch oder juristische Klärung.


Fazit: Die Bedarfsgemeinschaft – zentral für das Bürgergeld

Die Bedarfsgemeinschaft ist ein grundlegendes Konzept im Bürgergeld-System. Sie entscheidet maßgeblich darüber, ob und in welcher Höhe Leistungen gewährt werden. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, wer dazugehört – und wer nicht. Denn nicht jede Wohngemeinschaft ist eine Bedarfsgemeinschaft. Wer seinen Anspruch richtig einschätzen und durchsetzen will, sollte die Regelungen genau kennen – und im Zweifel rechtzeitig aktiv werden.