Wenn Krankheit oder Unfall die Erwerbsfähigkeit erheblich einschränken, steht Betroffenen mitunter nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Arbeitskraft zur Verfügung. In solchen Fällen greift die Erwerbsminderungsrente als finanzielle Absicherung. Sie wird von der Deutschen Rentenversicherung gezahlt – unter bestimmten Voraussetzungen. Doch wer bekommt sie? Wie hoch ist sie? Und was musst du bei der Beantragung beachten? In diesem Beitrag erfährst du alles Wichtige über die Erwerbsminderungsrente: von den rechtlichen Grundlagen bis zu praktischen Tipps für den Rentenantrag.
Was ist die Erwerbsminderungsrente?
Die Erwerbsminderungsrente (kurz: EM-Rente) ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie soll Menschen unterstützen, die wegen Krankheit oder Behinderung dauerhaft weniger oder gar nicht mehr arbeiten können.
Ziel: Sicherung des Lebensunterhalts, wenn eine Erwerbstätigkeit wegen gesundheitlicher Einschränkungen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich ist.
Es gibt zwei Formen:
- Volle Erwerbsminderungsrente
- Teilweise Erwerbsminderungsrente
Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente
Medizinische Voraussetzung
Entscheidend ist, wie viele Stunden täglich du noch arbeiten kannst – in jedem beliebigen Beruf, nicht nur deinem bisherigen.
Restliche Arbeitsfähigkeit | Anspruch |
---|---|
unter 3 Stunden täglich | Volle Erwerbsminderungsrente |
3 bis unter 6 Stunden täglich | Teilweise Erwerbsminderungsrente |
ab 6 Stunden täglich | Kein Anspruch |
💡 Maßgeblich ist ein medizinisches Gutachten, das durch die Rentenversicherung beauftragt wird.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
- Mindestens 5 Jahre Versicherungszeit (Wartezeit)
- Davon in den letzten 5 Jahren mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge geleistet
Ausnahmen gelten u. a. bei Erwerbsminderung durch Arbeitsunfall oder Behinderung seit Geburt.
Volle vs. teilweise Erwerbsminderungsrente
Volle Erwerbsminderungsrente:
- Arbeitsfähigkeit: unter 3 Stunden pro Tag
- Höhe: ca. 30–35 % des letzten Bruttogehalts
Teilweise Erwerbsminderungsrente:
- Arbeitsfähigkeit: 3–6 Stunden pro Tag
- Höhe: ca. 15–20 % des Bruttogehalts
➡️ Wer trotz teilweise eingeschränkter Erwerbsfähigkeit keinen passenden Teilzeitjob findet, kann unter Umständen den vollen Rentensatz erhalten („verschlossener Arbeitsmarkt“).
Dauer und Befristung
- In der Regel wird die EM-Rente zunächst befristet auf 3 Jahre gewährt
- Verlängerung ist möglich – mit neuem Gutachten
- Eine unbefristete EM-Rente ist nur in Ausnahmefällen möglich (z. B. keine Aussicht auf Besserung)
Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente?
Die Höhe richtet sich nach:
- Deinem bisherigen Versicherungsverlauf
- Der Erwerbsminderungsart (voll oder teilweise)
- Zugrunde gelegten Entgeltpunkten, Durchschnittseinkommen und Zugangsfaktor
- Zuschlägen durch Zurechnungszeit
💡 Durchschnittliche volle EM-Rente (2024):
- Frauen: ca. 950 €
- Männer: ca. 1.050 €
Was ist die Zurechnungszeit?
Weil Erwerbsgeminderte nicht mehr in die Rentenkasse einzahlen können, wird die sogenannte Zurechnungszeit angerechnet:
Dabei wird so getan, als hättest du weiter bis zu einem bestimmten Alter gearbeitet – aktuell bis 67 Jahre (bei Rentenbeginn ab 2024).
Das erhöht die Rente deutlich.
Antragstellung: So gehst du vor
- Kontakt mit der Rentenversicherung aufnehmen (z. B. telefonisch, online oder vor Ort)
- Formularpaket „R0100“ ausfüllen
- Ärztliche Unterlagen beilegen
- Reha-Maßnahmen durchlaufen (ggf. vor Bewilligung erforderlich)
- Auf Begutachtungstermin vorbereitet sein
💡 Tipp: Lass dich von einem Rentenberater oder Sozialverband (z. B. VdK, SoVD) unterstützen – gerade bei Ablehnung.
Erwerbsminderungsrente und andere Leistungen
- Krankengeld: Vorstufe zur EM-Rente (max. 78 Wochen Krankengeld durch Krankenkasse)
- Übergangsgeld bei medizinischer Reha
- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wenn EM-Rente nicht reicht
- Hinzuverdienstgrenzen beachten, wenn du nebenbei arbeitest
Erwerbsminderungsrente und Job – geht das?
Ja, mit Einschränkungen:
- Teilzeitbeschäftigung ist möglich, wenn du unter der jeweiligen Stundengrenze bleibst
- Hinzuverdienstgrenzen beachten – Überschreitung kann Rentenkürzung bedeuten
Hinzuverdienstgrenze 2024:
- Volle EM-Rente: 18.558,75 € / Jahr
- Teilweise EM-Rente: individuelle Berechnung
Häufige Gründe für Ablehnung – und was du tun kannst
- Gutachten sieht keine Erwerbsminderung
- Versicherungszeiten nicht erfüllt
- Keine ausreichenden medizinischen Nachweise
➡️ Widerspruchsfrist: 1 Monat
➡️ Du kannst ein eigenes Gegengutachten einreichen
➡️ Bei Ablehnung: Widerspruchsverfahren oder Klage beim Sozialgericht
Häufige Fragen (FAQs)
Wer hat Anspruch auf Erwerbsminderungsrente?
Alle Versicherten, die aus gesundheitlichen Gründen weniger als 6 Stunden täglich arbeiten können – und die Wartezeit erfüllt haben.
Wie lange wird die Rente gezahlt?
In der Regel zunächst befristet auf 3 Jahre, Verlängerungen sind möglich. Unbefristet nur bei dauerhafter Erwerbsminderung.
Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente?
Im Durchschnitt zwischen 950–1.050 € monatlich bei voller Rente – abhängig vom Versicherungsverlauf.
Was ist die Zurechnungszeit?
Eine fiktive Zeitspanne, in der so gerechnet wird, als hättest du weiter Beiträge gezahlt – sie erhöht deine Rente.
Kann ich arbeiten trotz Erwerbsminderungsrente?
Ja – aber nur im Rahmen der Restleistungsfähigkeit und der Hinzuverdienstgrenze.
Fazit: Erwerbsminderungsrente – wichtige Absicherung bei gesundheitlicher Einschränkung
Die Erwerbsminderungsrente bietet Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten können, einen wichtigen finanziellen Schutz. Sie ist an klare Bedingungen und Nachweise geknüpft, kann aber – bei erfolgreicher Bewilligung – eine erhebliche Entlastung darstellen. Wer die Voraussetzungen kennt, gut vorbereitet in das Antragsverfahren geht und sich ggf. Unterstützung holt, hat gute Chancen auf eine faire Versorgung im Fall der Erwerbsminderung.