Nachlassgericht

Beim Tod eines Menschen regelt nicht nur die Familie den Nachlass – auch der Staat ist beteiligt: in Form des Nachlassgerichts. Dieses Spezialgericht ist zentraler Ansprechpartner für alle rechtlichen Fragen rund um den Nachlass – vom Testament bis zur Erbausschlagung. Doch was genau ist ein Nachlassgericht, welche Aufgaben übernimmt es, wann muss ich mich dorthin wenden und was kostet das Verfahren? In diesem Beitrag bekommst du einen umfassenden Überblick über das Nachlassgericht und seine Bedeutung im deutschen Erbrecht.


Was ist das Nachlassgericht?

Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts, die für alle gerichtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einem Erbfall zuständig ist. Es ist die staatliche Stelle, die Erben bei der rechtlichen Abwicklung des Nachlasses unterstützt und beaufsichtigt.

Das Nachlassgericht ist nicht dafür da, Erbstreitigkeiten zu entscheiden – das übernimmt ggf. das Zivilgericht. Es agiert vielmehr organisatorisch und dokumentierend.


Zuständigkeit: Welches Nachlassgericht ist zuständig?

Zuständig ist das Nachlassgericht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers (§ 343 FamFG).

Beispiel:

  • Verstorbener hatte seinen Wohnsitz in München → Nachlassgericht München
  • Wohnsitz im Ausland → Zuständigkeit beim Amtsgericht Schöneberg (Berlin)

Aufgaben des Nachlassgerichts

Das Nachlassgericht übernimmt u. a. folgende Aufgaben:

1. Testamente verwahren und eröffnen

  • Beglaubigung und offizielle Verlesung von Testamenten
  • Benachrichtigung der Erben
  • Ausstellung einer Testamentsabschrift

2. Erbscheine ausstellen

  • Erteilung des Erbscheins als offizieller Nachweis der Erbenstellung
  • Prüfung gesetzlicher oder testamentarischer Erbfolge

3. Ausschlagungen entgegennehmen

  • Erklärung der Erbausschlagung zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form
  • Prüfung der Einhaltung der Ausschlagungsfrist

4. Nachlasspflegschaften anordnen

  • Bestellung eines Nachlasspflegers, wenn keine Erben bekannt sind oder ein Erbe verhindert ist

5. Ermittlungen zur Erbfolge

  • Prüfung von gesetzlichen Erbfolgen
  • ggf. Einschaltung von Standesämtern oder Erbenermittlern

Wichtige Verfahren beim Nachlassgericht

1. Erbschein beantragen

  • Nötig z. B. bei Banken, Versicherungen, Grundbuchämtern
  • Antrag persönlich oder über Notar
  • Nachweis: Personenstandsurkunden, Testament (falls vorhanden)

2. Ausschlagung der Erbschaft

  • Schriftlich (notariell beglaubigt) oder persönlich vor Ort
  • Innerhalb der sechs- oder sechsmonatigen Frist

3. Testament abgeben

  • Wenn ein handschriftliches Testament gefunden wird, muss es unverzüglich beim Nachlassgericht eingereicht werden (§ 2259 BGB)
  • Bei unterlassener Abgabe kann eine Strafbarkeit wegen Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB) drohen

Was kostet ein Verfahren beim Nachlassgericht?

Die Gebühren richten sich nach dem Nachlasswert und dem Gerichtskostengesetz (GNotKG).

Typische Gebühren:

  • Erbscheinverfahren: ab ca. 100 €, je nach Nachlasshöhe
  • Ausschlagung: pauschal ca. 30 €
  • Nachlasspflegschaft: abhängig vom Aufwand

💡 Hinweis: Auch Notarkosten (z. B. für Unterschriftsbeglaubigung oder Erbscheinantrag) fallen zusätzlich an – sie richten sich ebenfalls nach dem Nachlasswert.


Wie kontaktiert man das Nachlassgericht?

  • Persönlich: Termine können telefonisch oder online vereinbart werden
  • Schriftlich: Anträge mit Originalen und beglaubigten Kopien per Post
  • Online: Manche Gerichte bieten digitale Formulare und Dokumentenuploads

👉 Tipp: Bei einfachen Anliegen (z. B. Erbausschlagung) hilft auch die Beratung durch das Amtsgericht – kostenfrei, aber ohne rechtliche Vertretung.


Rolle des Nachlassgerichts bei Erbstreitigkeiten

Das Nachlassgericht entscheidet nicht über streitige Erbfragen. Für Klagen, z. B. bei:

  • Anfechtung eines Testaments
  • Pflichtteilsklagen
  • Streit um die Wirksamkeit von Erbverträgen

…ist das Zivilgericht (Amts- oder Landgericht) zuständig. Das Nachlassgericht informiert lediglich über den aktuellen Stand der erbrechtlichen Verfahren.


Nachlassgericht vs. Nachlassverwalter vs. Nachlasspfleger

RolleAufgabe
NachlassgerichtStaatliche Behörde zur Nachlassabwicklung und Erbenbestätigung
NachlassverwalterDurch Gericht bestellt, übernimmt aktive Verwaltung eines Nachlasses
NachlasspflegerBetreut Nachlass bis zur Erbenfeststellung oder bei abwesenden Erben

Nachlassgericht und digitale Nachlässe

In der Praxis kümmern sich Nachlassgerichte nicht aktiv um digitale Konten, E-Mails oder Online-Abos. Dennoch:

  • Erben benötigen ggf. Erbschein, um Zugang zu Online-Konten zu erhalten
  • Gericht kann z. B. digitale Testamente prüfen, wenn sie den Formvorgaben entsprechen (bisher nicht rechtlich zugelassen!)

Häufige Fragen zum Nachlassgericht (FAQs)

Was macht das Nachlassgericht?

Es kümmert sich um alle formellen Angelegenheiten rund um eine Erbschaft – z. B. Erbscheine, Testamente, Ausschlagungen.

Wie erfahre ich, welches Nachlassgericht zuständig ist?

Zuständig ist das Amtsgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen – online über Justizportale recherchierbar.

Wie reiche ich ein Testament beim Nachlassgericht ein?

Per Post oder persönlich – Original erforderlich, bei Fund Pflicht zur unverzüglichen Abgabe.

Kann ich mich beim Nachlassgericht beraten lassen?

Ja – zur Verfahrensweise, aber keine rechtliche Beratung im Streitfall. Dafür sind Notare oder Anwälte zuständig.

Wie lange dauert ein Verfahren beim Nachlassgericht?

Das hängt vom Aufwand ab – einfache Ausschlagungen wenige Tage, Erbscheinverfahren oft mehrere Wochen bis Monate.


Fazit: Das Nachlassgericht als zentrale Anlaufstelle im Erbfall

Das Nachlassgericht ist eine unverzichtbare Institution im deutschen Erbrecht. Es unterstützt Erben, klärt die Rechtslage und sorgt für geordnete Verfahren – sei es bei Testamenten, Erbscheinen oder Ausschlagungen. Wer einen Erbfall erlebt, sollte frühzeitig prüfen, welche Formulare und Nachweise benötigt werden und ob ein Gang zum Gericht nötig ist. Mit guter Vorbereitung und ggf. anwaltlicher Beratung lassen sich unnötige Verzögerungen vermeiden – und der Nachlass rechtssicher regeln.