Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht ist ein zentrales Rechtsgebiet, das die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt. Es umfasst sämtliche rechtlichen Vorschriften, die die Begründung, Durchführung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen kleinen Handwerksbetrieb, ein mittelständisches Unternehmen oder einen internationalen Konzern handelt – überall dort, wo Menschen in einem Arbeitsverhältnis stehen, findet Arbeitsrecht Anwendung.

Die zentrale Aufgabe des Arbeitsrechts besteht darin, einen fairen Ausgleich der Interessen zwischen den beiden Parteien zu schaffen: auf der einen Seite das Direktionsrecht des Arbeitgebers, auf der anderen Seite der Schutz der Arbeitnehmer, die strukturell in einer unterlegenen Position stehen. Aus diesem Spannungsfeld ergibt sich der gesamte Aufbau des modernen Arbeitsrechts.

Individualarbeitsrecht und Kollektivarbeitsrecht – Zwei große Teilbereiche

Das Arbeitsrecht lässt sich grob in zwei große Bereiche gliedern: das Individualarbeitsrecht und das Kollektivarbeitsrecht.

Individualarbeitsrecht

Dieser Teil betrifft die einzelvertragliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Hierzu zählen alle rechtlichen Fragen, die ein konkretes Arbeitsverhältnis betreffen, wie:

  • Abschluss und Inhalt des Arbeitsvertrags
  • Rechte und Pflichten während des Arbeitsverhältnisses (z. B. Arbeitszeit, Urlaub, Lohn, Weisungsrecht)
  • Schutzvorschriften bei Krankheit, Mutterschutz oder Elternzeit
  • Kündigungsregeln und Abfindung
  • Arbeitszeugnis und nachvertragliche Pflichten

Das Individualarbeitsrecht wird durch zahlreiche Gesetze geprägt, darunter etwa das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) oder das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).

Kollektivarbeitsrecht

Dieser Bereich regelt das Verhältnis zwischen kollektiven Vertretungsorganen der Arbeitnehmer (z. B. Gewerkschaften, Betriebsräte) und dem Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband. Dazu gehören insbesondere:

  • Tarifvertragsrecht (z. B. nach dem Tarifvertragsgesetz)
  • Mitbestimmungsrecht auf Betriebs- und Unternehmensebene
  • Arbeitskampfrecht (Streik, Aussperrung)

Das Kollektivarbeitsrecht zielt darauf ab, durch organisierte Interessenvertretung die Machtasymmetrie zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern auszugleichen. Es bietet strukturelle Schutzmechanismen wie das Mitbestimmungsgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) oder das Tarifvertragsgesetz (TVG).

Rechtsquellen des Arbeitsrechts – Woher stammen die Regelungen?

Das deutsche Arbeitsrecht ist kein einheitlich kodifiziertes Gesetzeswerk, sondern setzt sich aus einer Vielzahl von Rechtsquellen zusammen. Zu den wichtigsten zählen:

  1. Verfassung (Grundgesetz)
    Besonders Artikel 1 (Menschenwürde), Artikel 2 (allgemeine Handlungsfreiheit) und Artikel 9 (Koalitionsfreiheit) haben Relevanz im Arbeitsrecht.
  2. Gesetze und Verordnungen
    Darunter fallen zentrale arbeitsrechtliche Regelungen wie:
    • BGB (§§ 611a ff.)
    • Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
    • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
    • Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
    • Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
    • Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
  3. Tarifverträge
    Diese werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern oder deren Verbänden abgeschlossen und gelten häufig flächendeckend in einer Branche. Sie können Mindeststandards festlegen, etwa zu Löhnen, Arbeitszeiten oder Urlaubsregelungen.
  4. Betriebsvereinbarungen
    Werden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf Unternehmensebene geschlossen. Sie gelten für alle Arbeitnehmer des Betriebs, sind verbindlich und können Regelungen z. B. zu Arbeitszeitmodellen, Schichtplänen oder betrieblichen Sozialleistungen enthalten.
  5. Arbeitsvertrag
    Der Arbeitsvertrag ist zwar individuell gestaltet, aber immer eingebettet in die höherrangigen Normen. Abweichungen zu Ungunsten des Arbeitnehmers sind in vielen Fällen unwirksam, sofern gesetzlich ein Schutzstandard vorgesehen ist.
  6. Richterrecht
    Viele Grundsätze des Arbeitsrechts stammen aus der umfangreichen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Diese Urteile prägen die Praxis oft stärker als einzelne Gesetzesvorschriften.
  7. Europäisches Arbeitsrecht
    Durch EU-Richtlinien und -Verordnungen wird das nationale Arbeitsrecht zunehmend beeinflusst, z. B. beim Datenschutz (DSGVO), bei Diskriminierungsschutz (AGG) oder beim Arbeitszeitschutz.

Prinzipien des Arbeitsrechts – Leitgedanken hinter den Vorschriften

Trotz der Vielzahl von Einzelnormen lassen sich im Arbeitsrecht bestimmte Leitprinzipien erkennen, die wie ein roter Faden durch das gesamte Regelungssystem verlaufen:

1. Schutzprinzip

Das Arbeitsrecht dient in erster Linie dem Schutz des Arbeitnehmers, da dieser im Arbeitsverhältnis typischerweise wirtschaftlich unterlegen ist. Dieser Gedanke durchzieht etwa das Mutterschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Kündigungsschutzgesetz oder das Jugendarbeitsschutzgesetz.

2. Günstigkeitsprinzip

Wenn sich mehrere Rechtsquellen überlagern (z. B. Tarifvertrag und Arbeitsvertrag), gilt die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung – es sei denn, das Gesetz legt etwas anderes fest. So dürfen Arbeitgeber z. B. keine niedrigeren Löhne vereinbaren, als im Tarifvertrag vorgesehen.

3. Vertragsfreiheit mit Grenzen

Grundsätzlich gilt auch im Arbeitsrecht die Vertragsfreiheit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können viele Details frei vereinbaren. Doch diese Freiheit ist eingeschränkt durch zwingendes Recht, etwa bei Mindestlohn, Arbeitszeit oder Diskriminierungsverbot.

4. Gleichbehandlungsgrundsatz

Der Arbeitgeber darf vergleichbare Arbeitnehmer nicht willkürlich ungleich behandeln, z. B. beim Arbeitslohn, bei Prämien oder bei Sonderzahlungen. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz führen zu einem Anspruch auf Gleichstellung.

5. Verhältnismäßigkeit

Gerade bei arbeitsrechtlichen Sanktionen (z. B. Abmahnung, Kündigung) ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zentral. Maßnahmen dürfen nur so weit gehen, wie es zur Wahrung berechtigter Interessen nötig ist – milder Mittel müssen stets geprüft werden.


Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis – Das Fundament der täglichen Zusammenarbeit

Im Zentrum jedes Arbeitsverhältnisses stehen bestimmte Rechte und Pflichten, die sich aus dem Arbeitsvertrag sowie den gesetzlichen Vorgaben ergeben. Diese Regelungen bestimmen maßgeblich, wie die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgestaltet ist. Während der Arbeitsvertrag die Basis darstellt, sind viele Inhalte gesetzlich zwingend vorgegeben – und somit nicht frei verhandelbar. Dieser Abschnitt beleuchtet die wichtigsten Rechte und Pflichten beider Seiten im Detail.

Die Hauptpflichten des Arbeitnehmers – Arbeitspflicht, Loyalität und Sorgfalt

Die zentrale Pflicht des Arbeitnehmers ist die persönliche Arbeitsleistung. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber nicht ein Ergebnis, sondern das Tätigwerden gemäß den vertraglich vereinbarten Anforderungen – etwa als Lagerist, Bürokauffrau oder Softwareentwickler. Im deutschen Arbeitsrecht ist dieses Prinzip in § 611a BGB verankert.

Zur Arbeitspflicht zählen:

  • Pünktliche und sorgfältige Arbeitsausführung
  • Einhalten der betrieblichen Regeln (z. B. Arbeitszeit, Datenschutz, Kleiderordnung)
  • Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, etwa kein Schlechtreden des Unternehmens oder illoyales Verhalten im Kundenkontakt
  • Unterlassung konkurrierender Tätigkeiten während des Arbeitsverhältnisses
  • Verschwiegenheitspflicht bezüglich vertraulicher Informationen

Diese Verpflichtungen gelten automatisch mit Beginn des Arbeitsverhältnisses und müssen nicht extra vertraglich geregelt werden.

Nebenpflichten des Arbeitnehmers – Mitdenken, Rücksicht und Mitwirkung

Neben der Hauptpflicht zur Arbeitsleistung bestehen weitere sogenannte Nebenpflichten. Sie lassen sich aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableiten:

  • Schutz der betrieblichen Einrichtungen (z. B. sorgsamer Umgang mit Arbeitsmaterial)
  • Meldepflichten bei Krankheit (Attestpflicht, Krankmeldung)
  • Pflicht zur Mitwirkung bei betrieblicher Sicherheit (z. B. Unfallverhütungsvorschriften beachten)
  • Offenlegungspflichten bei Nebenbeschäftigungen oder Interessenkonflikten

Diese Nebenpflichten tragen wesentlich zum reibungslosen Betriebsablauf bei und sind häufig Gegenstand arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen, etwa bei Verletzungen der Meldepflicht im Krankheitsfall.

Die Hauptpflicht des Arbeitgebers – Vergütung der Arbeit

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeitsvergütung zu zahlen – und zwar rechtzeitig und vollständig. Diese Pflicht ergibt sich aus § 611a Abs. 2 BGB und ist der wirtschaftliche Kern des Arbeitsverhältnisses. Hierbei gilt:

  • Zahlungspflicht auch bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung, etwa im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG)
  • Pflicht zur pünktlichen Lohnzahlung – in der Regel zum Monatsende oder bis zum 15. des Folgemonats
  • Zahlung von Zuschlägen (z. B. Nachtarbeit, Überstunden), sofern tariflich oder vertraglich geregelt
  • Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen

Außerdem kann ein Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld bestehen, wenn dieser vertraglich, tariflich oder durch betriebliche Übung anerkannt ist.

Nebenpflichten des Arbeitgebers – Schutz und Fürsorge

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber zur Wahrung umfassender Fürsorgepflichten verpflichtet. Diese reichen vom Gesundheitsschutz bis zur Gleichbehandlung:

  • Arbeitsschutzpflicht gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (z. B. ergonomischer Arbeitsplatz, Sicherheitsunterweisungen)
  • Pflicht zur Gleichbehandlung aller Beschäftigten, z. B. bei Bonuszahlungen oder Beförderungen
  • Gesundheitliche Rücksichtnahme, insbesondere bei Schwangeren, Schwerbehinderten oder älteren Beschäftigten
  • Schutz vor Mobbing und sexueller Belästigung
  • Beteiligung des Betriebsrats bei personellen Maßnahmen, sofern ein solcher existiert

Die Fürsorgepflicht geht weit über das rein Vertragliche hinaus und hat auch moralisch-ethische Komponenten. Bei Verletzung dieser Pflichten drohen dem Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen – bis hin zu Schadensersatzforderungen.

Direktionsrecht des Arbeitgebers – Grenzen und Mitbestimmung

Das sogenannte Direktionsrecht (auch Weisungsrecht genannt) erlaubt es dem Arbeitgeber, bestimmte Rahmenbedingungen der Arbeit einseitig festzulegen. Geregelt ist dies in § 106 der Gewerbeordnung (GewO). Dazu zählen:

  • Ort der Arbeitsleistung (z. B. Versetzung innerhalb eines Betriebs oder einer Niederlassung)
  • Zeitliche Lage der Arbeitszeit (z. B. Beginn und Ende der Schicht)
  • Inhaltliche Ausgestaltung der Tätigkeit, solange sie vom Arbeitsvertrag gedeckt ist

Doch das Direktionsrecht hat klare Grenzen:

  • Tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen (z. B. Arbeitszeitgesetz)
  • Vertragliche Festlegungen im Arbeitsvertrag
  • Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, z. B. bei Arbeitszeitmodellen

Der Arbeitgeber darf das Direktionsrecht nicht willkürlich oder diskriminierend ausüben. Es muss stets eine billige Ermessensentscheidung sein – also fair, nachvollziehbar und im Rahmen des Zumutbaren.

Typische Konflikte im Arbeitsalltag – Wenn Rechte und Pflichten kollidieren

Trotz klarer Regelungen kommt es in der Praxis immer wieder zu Konflikten im Arbeitsverhältnis. Typische Streitpunkte sind etwa:

  • Nicht oder verspätet gezahlte Gehälter
  • Unrechtmäßige Abmahnungen
  • Unzureichender Arbeitsschutz
  • Diskriminierung bei Beförderungen
  • Streit über Überstundenvergütung
  • Kündigungen ohne vorherige Abmahnung
  • Unzulässige Versetzung

Solche Konflikte führen häufig zu arbeitsgerichtlichen Verfahren. Dabei ist die Arbeitsgerichtsbarkeit in drei Instanzen gegliedert: Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht, Bundesarbeitsgericht. Ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist in der ersten Instanz gerichtskostenfrei für den Arbeitnehmer – allerdings muss jeder seine Anwaltskosten selbst tragen.

Kündigung und Kündigungsschutz – Das Ende eines Arbeitsverhältnisses rechtssicher gestalten

Ein zentrales Thema im Arbeitsrecht ist die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Diese kann sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer ausgehen – wobei strenge gesetzliche Vorgaben zu beachten sind. Besonders das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) spielt dabei eine entscheidende Rolle. In diesem Abschnitt geht es um die rechtlichen Grundlagen der Kündigung, den besonderen Kündigungsschutz sowie um Abmahnungen und Befristungen.

Arten der Kündigung – Ordentlich, außerordentlich und Änderungskündigung

Im deutschen Arbeitsrecht unterscheidet man mehrere Formen der Kündigung:

  • Ordentliche Kündigung: Fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsfrist richtet sich nach dem BGB (§ 622) oder dem Arbeits-/Tarifvertrag.
  • Außerordentliche (fristlose) Kündigung: Nur zulässig bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen, z. B. Diebstahl oder Arbeitszeitbetrug.
  • Änderungskündigung: Der Arbeitgeber kündigt das bisherige Arbeitsverhältnis, bietet jedoch gleichzeitig ein neues – meist schlechteres – an. Der Arbeitnehmer kann zustimmen, ablehnen oder unter Vorbehalt annehmen.

Damit eine Kündigung rechtlich Bestand hat, muss sie schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Eine mündliche Kündigung ist unwirksam. Zudem gilt das sogenannte Zugangsprinzip: Die Kündigung wird erst wirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer tatsächlich zugeht.

Allgemeiner Kündigungsschutz – Gültigkeit und Voraussetzungen

Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG greift, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Betrieb beschäftigt mehr als zehn Mitarbeiter (maßgeblich sind nur „vollzeitäquivalente“ Beschäftigte)
  • Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate

Ist der Kündigungsschutz anwendbar, muss der Arbeitgeber die Kündigung sozial rechtfertigen – d. h. es muss einer der folgenden Gründe vorliegen:

  1. Verhaltensbedingte Kündigung – etwa bei wiederholten Pflichtverstößen nach vorheriger Abmahnung
  2. Personenbedingte Kündigung – z. B. bei lang andauernder Krankheit, die die Arbeitsfähigkeit dauerhaft einschränkt
  3. Betriebsbedingte Kündigung – z. B. bei Stellenabbau oder Standortschließungen

Fehlt eine dieser Begründungen, ist die Kündigung unwirksam – sofern der Arbeitnehmer fristgerecht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreicht (§ 4 KSchG).

Abmahnung – Warnschuss vor der Kündigung

Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung ist regelmäßig eine Abmahnung erforderlich. Diese dient als „Warnschuss“ und gibt dem Arbeitnehmer die Chance, sein Verhalten zu ändern. Eine wirksame Abmahnung muss:

  • das konkrete Fehlverhalten genau benennen
  • den Hinweis enthalten, dass im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur Kündigung drohen
  • zeitnah nach dem Vorfall ausgesprochen werden

Fehlt eine Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung, ist diese in der Regel unwirksam. Allerdings kann sie bei besonders schwerwiegendem Verhalten – etwa bei Gewalt am Arbeitsplatz – auch entbehrlich sein.

Besonderer Kündigungsschutz – Schutz besonders schutzwürdiger Arbeitnehmergruppen

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz gibt es auch besonderen Kündigungsschutz für bestimmte Personengruppen. Dieser ergibt sich aus spezialgesetzlichen Regelungen und umfasst u. a.:

  • Schwangere und Mütter bis 4 Monate nach der Entbindung
    → Kündigung nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde (§ 17 MuSchG)
  • Schwerbehinderte Menschen
    → Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamts (§ 168 SGB IX)
  • Betriebsratsmitglieder
    → genießen Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG
  • Elternzeitnehmende
    → Kündigungsschutz nach § 18 BEEG
  • Auszubildende
    → nur unter engen Voraussetzungen kündbar (§ 22 BBiG)

Dieser besondere Kündigungsschutz soll verhindern, dass Arbeitnehmer in vulnerablen Lebenslagen oder mit besonderer Funktion (z. B. im Betriebsrat) benachteiligt werden.

Befristete Arbeitsverhältnisse – Sachgrund oder sachgrundlos?

Ein weiteres häufiges Thema im Arbeitsrecht sind befristete Arbeitsverträge. Diese sind grundsätzlich zulässig, müssen aber bestimmte Anforderungen erfüllen. Unterschieden wird zwischen:

  • Befristung mit Sachgrund: etwa Projektarbeit, Elternzeitvertretung, zeitlich begrenzter Bedarf. Möglich unbegrenzt oft (§ 14 Abs. 1 TzBfG).
  • Sachgrundlose Befristung: nur zulässig bis zu zwei Jahre, innerhalb dieser Zeit maximal dreimalige Verlängerung (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Gilt nicht bei vorheriger Beschäftigung im Unternehmen.

Eine nicht rechtmäßig befristete Anstellung gilt automatisch als unbefristetes Arbeitsverhältnis. Achtung: Wer eine Entfristung einklagen will, muss das innerhalb von drei Wochen nach Vertragsende tun (§ 17 TzBfG).

Kündigungsschutzklage – Rechte wahren, Fristen beachten

Wenn ein Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit einer Kündigung anzweifelt, kann er Kündigungsschutzklage erheben. Dafür gelten folgende Eckpunkte:

  • Frist: 3 Wochen ab Zugang der Kündigung
  • Zuständigkeit: Arbeitsgericht am Ort des Betriebs
  • Erforderlich: schriftlicher Antrag mit Klagebegründung
  • Kein Anwaltszwang in erster Instanz – aber rechtlich empfehlenswert

Ein häufiges Ziel solcher Klagen ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Abfindung – oft im Rahmen eines Gütetermins beim Arbeitsgericht.


Arbeitszeit, Urlaub und familiäre Schutzrechte – Rechte rund um Zeit und Erholung

Ein zentraler Bereich des Arbeitsrechts betrifft die zeitliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses. Vom Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit über Urlaubsansprüche bis hin zu Schutzrechten für Eltern und pflegende Angehörige: Arbeitnehmer haben in Deutschland weitreichende gesetzliche Ansprüche, die Arbeitgeber nicht beliebig einschränken dürfen. Dieser Abschnitt beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen zu Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit sowie Teilzeit und Rückkehrrecht.

Arbeitszeitrecht – Begrenzung von Dauer und Überstunden

Das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt die höchstzulässige tägliche und wöchentliche Arbeitszeit. Es dient dem Schutz der Gesundheit und stellt sicher, dass Arbeitnehmer nicht übermäßig belastet werden.

  • Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten.
  • Eine Verlängerung auf bis zu 10 Stunden ist möglich, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen ein Durchschnitt von 8 Stunden täglich eingehalten wird.
  • Zwischen zwei Arbeitstagen muss eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden eingehalten werden.
  • An Sonn- und Feiertagen darf grundsätzlich nicht gearbeitet werden – Ausnahmen gelten nur in bestimmten Branchen (z. B. Pflege, Gastronomie, Notdienste).

Überstunden müssen nur dann geleistet werden, wenn sie im Arbeits- oder Tarifvertrag ausdrücklich geregelt sind – oder eine dringende betriebliche Notlage vorliegt. Für Überstunden besteht ein Anspruch auf Ausgleich, entweder in Form von Freizeitausgleich oder zusätzlichem Lohn. Ob Überstunden bezahlt werden oder mit dem Gehalt abgegolten sind, hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Allgemeine Klauseln wie „mit dem Gehalt abgegolten“ sind oft unwirksam, wenn sie nicht eine klare Begrenzung der Stunden enthalten.

Urlaubsanspruch – Erholung gesetzlich garantiert

Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dieser ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt und beträgt mindestens:

  • 24 Werktage pro Jahr bei einer 6-Tage-Woche
  • 20 Arbeitstage pro Jahr bei einer 5-Tage-Woche

In der Praxis gewähren die meisten Arbeitgeber aufgrund von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen mehr Urlaubstage – zwischen 25 und 30 Tage sind heute üblich. Der volle Anspruch entsteht erstmals nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit (§ 4 BUrlG). Vorher besteht lediglich ein anteiliger Anspruch.

Nicht genommener Urlaub verfällt grundsätzlich am 31. März des Folgejahres, kann aber bei längerer Krankheit auch später übertragen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Wichtig: Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten aktiv darauf hinweisen, dass Urlaub verfällt, sonst bleibt er bestehen – selbst über Jahre.

Mutterschutz – Schutz für werdende Mütter

Der Mutterschutz gewährt Frauen in der Schwangerschaft sowie nach der Geburt besondere Rechte und Freistellungen:

  • Beschäftigungsverbot 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt (bei Früh- oder Mehrlingsgeburten 12 Wochen danach)
  • Kündigungsschutz ab Bekanntgabe der Schwangerschaft bis 4 Monate nach der Entbindung (§ 17 MuSchG)
  • Anspruch auf Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse plus Arbeitgeberzuschuss
  • Verbot gefährdender Tätigkeiten und Anspruch auf Arbeitsplatzanpassung
  • Anspruch auf Freistellung für Arztbesuche während der Arbeitszeit

Der Mutterschutz beginnt mit der Mitteilung an den Arbeitgeber und verpflichtet diesen zur besonderen Rücksichtnahme. Ein Verstoß gegen das Mutterschutzgesetz kann empfindliche arbeitsrechtliche und bußgeldrechtliche Folgen haben.

Elternzeit – Zeit für die Familie mit Kündigungsschutz

Nach dem Mutterschutz beginnt für viele Familien die Elternzeit. Diese ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt und bietet folgende Kernregelungen:

  • Anspruch auf bis zu 3 Jahre Elternzeit pro Kind
  • Davon können bis zu 24 Monate auf die Zeit zwischen dem 3. und 8. Lebensjahr des Kindes übertragen werden
  • Antrag spätestens 7 Wochen vor Beginn
  • Kündigungsschutz während der gesamten Elternzeit
  • Teilzeitarbeit (15–32 Stunden/Woche) während der Elternzeit möglich
  • Anspruch auf Elterngeld oder ElterngeldPlus

Elternzeit muss beim Arbeitgeber form- und fristgerecht schriftlich beantragt werden. Eine Genehmigung durch den Arbeitgeber ist nicht erforderlich – er kann sie nicht ablehnen, sondern nur in Ausnahmefällen den Zeitrahmen beeinflussen (z. B. wegen dringender betrieblicher Gründe bei Teilzeitwunsch).

Pflegezeit und Familienpflegezeit – Entlastung bei der Angehörigenpflege

Auch die Pflege naher Angehöriger ist gesetzlich geschützt. Es bestehen zwei Modelle:

  1. Pflegezeit (§ 3 PflegeZG):
    • Bis zu 6 Monate vollständige oder teilweise Freistellung
    • Kündigungsschutz während dieser Zeit
    • Gilt für Betriebe mit mehr als 15 Beschäftigten
  2. Familienpflegezeit (§ 2 FPfZG):
    • Bis zu 24 Monate Teilzeit (mindestens 15 Wochenstunden)
    • Anspruch auf zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie
    • Gilt für Betriebe mit mehr als 25 Beschäftigten

Pflegende Angehörige erhalten dabei keinen Lohn, können aber über das Pflegezeitgesetz eine finanzielle Unterstützung und Versicherungsschutz sichern. Auch hier besteht Kündigungsschutz während der Freistellungszeit.

Teilzeitanspruch – Flexibler arbeiten mit Rückkehrrecht

Arbeitnehmer haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Teilzeit:

  • Mindestens 6 Monate ununterbrochene Beschäftigung
  • Betrieb mit mehr als 15 Beschäftigten
  • Antrag muss 3 Monate vorher schriftlich gestellt werden

Der Arbeitgeber darf den Wunsch nur ablehnen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen – z. B. schwerwiegende Störungen im Betriebsablauf. Seit dem 1. Januar 2019 gibt es zusätzlich die sogenannte „Brückenteilzeit“ (§ 9a TzBfG): Arbeitnehmer können befristet auf Teilzeit wechseln (1–5 Jahre) und haben danach automatisch ein Rückkehrrecht in die ursprüngliche Arbeitszeit – sofern der Betrieb mehr als 45 Beschäftigte hat.

Dieses Rückkehrrecht ist ein bedeutender Fortschritt zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie – insbesondere für Eltern oder pflegende Angehörige, die später wieder in Vollzeit arbeiten möchten.


Kollektivrecht, Streitfälle und typische Fragen im Arbeitsrecht

Neben den individuellen Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfasst das deutsche Arbeitsrecht auch kollektivrechtliche Strukturen. Diese sind darauf ausgerichtet, das Machtungleichgewicht am Arbeitsplatz auszugleichen und Beschäftigten mehr Einflussmöglichkeiten auf ihre Arbeitsbedingungen zu verschaffen. Darüber hinaus regelt das Arbeitsrecht auch, wie bei Konflikten vorzugehen ist – insbesondere vor dem Arbeitsgericht.

Kollektives Arbeitsrecht – Tarifverträge, Gewerkschaften und Mitbestimmung

Das kollektive Arbeitsrecht bezieht sich auf die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmervertretungen und Arbeitgeberverbänden. Zu den wichtigsten Instrumenten zählen:

Tarifverträge (§§ 1–12 TVG)

Ein Tarifvertrag ist eine kollektivrechtliche Vereinbarung zwischen einem Arbeitgeberverband (oder einem einzelnen Arbeitgeber) und einer Gewerkschaft. Er regelt wesentliche Arbeitsbedingungen, z. B.:

  • Löhne und Gehälter
  • Arbeitszeiten
  • Urlaub
  • Kündigungsfristen
  • Zuschläge, Sonderzahlungen

Tarifverträge gelten unmittelbar und zwingend für alle Mitglieder der tarifschließenden Parteien – also für tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Durch eine sogenannte Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 TVG) kann ein Tarifvertrag auch für alle Branchenbetriebe gelten.

Betriebsrat und Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

In Betrieben mit mindestens 5 ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen 3 wählbar sind, kann ein Betriebsrat gewählt werden (§ 1 BetrVG). Dieser vertritt die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber und hat folgende Rechte:

  • Mitbestimmung (z. B. bei Arbeitszeitregelungen, Urlaubsplanung)
  • Mitwirkung (z. B. bei Kündigungen, Einstellungen)
  • Informationsrecht (z. B. bei wirtschaftlichen Veränderungen)
  • Initiativrecht (z. B. zur Einführung betrieblicher Maßnahmen)

Der Betriebsrat ist unabhängig und genießt besonderen Kündigungsschutz (§ 15 KSchG). Auch Betriebsratswahlen sind durch Gesetz geschützt – eine Behinderung der Wahl ist strafbar (§ 119 BetrVG).

Gewerkschaften und Streikrecht

Gewerkschaften vertreten die kollektiven Interessen der Arbeitnehmer, insbesondere durch Verhandlungen über Tarifverträge. Ihnen steht das Streikrecht zu, sofern ein Arbeitskampf rechtmäßig geführt wird – also nur:

  • zur Durchsetzung tariflicher Ziele
  • nach Scheitern der Verhandlungen
  • mit vorheriger Urabstimmung

Wilde Streiks oder politische Streiks sind in Deutschland rechtswidrig. Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer, die sich an rechtmäßigen Streiks beteiligen, nicht abmahnen oder kündigen.

Arbeitsgerichtsverfahren – Ablauf und typische Streitpunkte

Kommt es zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einem ernsthaften Konflikt, ist das Arbeitsgericht die zuständige Instanz. Es entscheidet über zivilrechtliche Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 ArbGG). Die häufigsten Klagearten sind:

  • Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG): Muss binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden
  • Zahlungsklagen (z. B. wegen ausstehendem Lohn, Urlaubsgeld)
  • Feststellungsklagen (z. B. zu Beschäftigungsstatus oder Teilzeitrecht)
  • Zeugnisklagen (wenn ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verweigert oder inhaltlich falsch ausgestellt wurde)

Das Verfahren gliedert sich in drei Instanzen:

  1. Arbeitsgericht
  2. Landesarbeitsgericht
  3. Bundesarbeitsgericht (nur bei grundsätzlicher Bedeutung)

Die erste Instanz vor dem Arbeitsgericht ist gerichtskostenfrei – jede Partei trägt ihre Anwaltskosten selbst, unabhängig vom Ausgang. Das soll Schwellenängste abbauen und den Zugang zum Recht erleichtern.

Klassische FAQs zum Arbeitsrecht

Was ist Arbeitsrecht einfach erklärt?
Arbeitsrecht umfasst alle Gesetze, Regelungen und Verträge, die das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern betreffen – vom Arbeitsvertrag über Arbeitszeiten bis hin zu Kündigungen und Mitbestimmung.

Was regelt das Arbeitsrecht?
Das Arbeitsrecht regelt unter anderem: Arbeitsverträge, Kündigungen, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz, Elternzeit, Teilzeitansprüche und die Rechte des Betriebsrats.

Welche Gesetze gehören zum Arbeitsrecht?
Zum Arbeitsrecht zählen u. a.: das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), das Mutterschutzgesetz (MuSchG), das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Wie viele Stunden darf man laut Gesetz arbeiten?
Grundsätzlich darf die tägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten (§ 3 ArbZG). Eine Verlängerung auf 10 Stunden ist nur erlaubt, wenn innerhalb von 6 Monaten ein Ausgleich erfolgt.

Wann darf man sich gegen eine Kündigung wehren?
Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden (§ 4 KSchG). Nach dieser Frist gilt die Kündigung als wirksam.

Habe ich ein Recht auf Teilzeit?
Ja, wenn du mindestens 6 Monate im Betrieb beschäftigt bist und der Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter hat. Der Antrag muss 3 Monate vorher schriftlich gestellt werden (§ 8 TzBfG).

Wer zahlt bei Elternzeit oder Mutterschutz?
Während des Mutterschutzes zahlt die Krankenkasse Mutterschaftsgeld und der Arbeitgeber einen Zuschuss. In der Elternzeit gibt es Elterngeld vom Staat, aber keinen Lohn vom Arbeitgeber.