Tarifverlauf

Wenn wir vom Tarifverlauf sprechen, meinen wir im deutschen Steuerrecht den Verlauf des Einkommensteuertarifs in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen. Der Tarifverlauf gibt also Auskunft darüber, wie hoch die Steuerbelastung bei steigendem Einkommen ausfällt – und wie sich Grenz- und Durchschnittssteuersätze entwickeln. Der Verlauf ist progressiv gestaltet, d. h. der Steuersatz steigt mit zunehmendem Einkommen. Das soll eine leistungsfähige, soziale und gerechte Besteuerung sicherstellen. In diesem Beitrag erfährst du, was der Tarifverlauf genau beschreibt, wie er aufgebaut ist, wie er wirkt und welche Kritik es daran gibt.


Was ist der Tarifverlauf?

Der Tarifverlauf beschreibt den mathematischen Verlauf des Einkommensteuertarifs in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen. Er zeigt auf, wie die Steuerbelastung zunimmt, je mehr Einkommen eine steuerpflichtige Person erzielt.

Der Verlauf ist in Deutschland progressiv, aber nicht linear – d. h. das Verhältnis zwischen Einkommen und Steuerlast verändert sich mit wachsendem Einkommen.


Aufbau des Einkommensteuertarifs in Deutschland

Der Tarifverlauf setzt sich aus fünf Tarifzonen zusammen:

ZoneEinkommensbereich (2024, Ledige)Steuersatz
Grundfreibetrag (Zone 1)bis 11.604 €0 %
Erste Progressionszone11.605 € – 18.336 €14 % → ca. 24 %
Zweite Progressionszone18.337 € – 62.809 €ca. 24 % → 42 %
Proportionalzone62.810 € – 277.825 €42 % (Spitzensteuersatz)
Reichensteuerab 277.826 €45 %

📌 Bei Ehepaaren gelten entsprechend doppelte Beträge bei Zusammenveranlagung.


Verlauf von Grenz- und Durchschnittssteuersatz

Grenzsteuersatz

Der Grenzsteuersatz gibt an, wie stark der zuletzt verdiente Euro besteuert wird. Er ist entscheidend für:

  • die Beurteilung zusätzlicher Einnahmen
  • Steuerplanung bei Bonuszahlungen, Beförderungen etc.

Durchschnittssteuersatz

Der Durchschnittssteuersatz ist das Verhältnis zwischen gesamter Steuerlast und dem Einkommen. Er liegt immer unterhalb des Grenzsteuersatzes.


Beispiel: 40.000 € zu versteuerndes Einkommen

  • Grenzsteuersatz: ca. 30 %
  • Durchschnittssteuersatz: ca. 19 %
    → Du zahlst nicht 30 % auf alles, sondern im Schnitt 19 % auf dein gesamtes Einkommen.

Was zeigt der Tarifverlauf?

Ab wann und wie stark das Einkommen besteuert wird
Wie der Steuersatz bei zunehmendem Einkommen ansteigt
Wie viel Steuer du im Vergleich zum Einkommen tatsächlich zahlst
Wie sich der Grenzsteuersatz in verschiedenen Einkommenszonen verhält

Er wird oft grafisch als Kurve dargestellt – mit typischem „S-Kurven“-Verlauf (langsam ansteigend, dann steil, dann flach).


Der „Mittelstandsbauch“

Ein Begriff, der im Zusammenhang mit dem Tarifverlauf häufig fällt, ist der Mittelstandsbauch. Er bezeichnet den Bereich im Tarifverlauf, in dem:

  • der Grenzsteuersatz schnell ansteigt,
  • aber das Einkommen noch nicht als „hoch“ gilt.

📌 Der Effekt: Menschen mit mittleren Einkommen werden relativ stark belastet, obwohl sie nicht zu den Spitzenverdienern gehören.

Kritiker fordern deshalb:

  • Abflachung der Progression in der zweiten Tarifzone
  • Anhebung des Grundfreibetrags oder
  • Ausweitung der Tarifzonen nach oben

Tarifverlauf im europäischen Vergleich

Im Vergleich zu anderen Ländern:

  • beginnt die Besteuerung in Deutschland relativ früh,
  • ist der Verlauf stark progressiv bis zum Spitzensteuersatz,
  • aber das System ist stabil, transparent und auf Gleichbehandlung ausgerichtet.

Tarifverlauf und Lohnersatzleistungen

Lohnersatzleistungen wie:

  • Elterngeld
  • Arbeitslosengeld
  • Krankengeld

sind steuerfrei, unterliegen aber dem Progressionsvorbehalt. Das bedeutet:

  • Sie erhöhen den Tarifverlauf für das übrige Einkommen
  • Die Steuerbelastung steigt indirekt

→ Wichtig bei Nachzahlungen, z. B. nach Elternzeit


Auswirkungen für die Steuerplanung

Zusätzliche Einkünfte strategisch planen (z. B. Sonderzahlungen, Abfindungen)
Absetzbarkeit von Ausgaben prüfen, um das zu versteuernde Einkommen zu senken
Steuerklassenwahl optimieren (besonders bei Ehepaaren)
Steuerfreibeträge ausschöpfen
Vorauszahlungen anpassen, wenn sich Einkommenssituation verändert


Häufige Fehler und Missverständnisse

❌ Annahme: Man zahlt den Grenzsteuersatz auf das ganze Einkommen
❌ Verwechslung von Brutto- und zu versteuerndem Einkommen
❌ Fehlende Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts
❌ Unterschätzung des Mittelstandsbauchs bei mittleren Einkommen
❌ Fehlende Optimierung bei Wahl der Veranlagungsform (z. B. Zusammenveranlagung)


Häufige Fragen (FAQs)

Was bedeutet Tarifverlauf?
Der Tarifverlauf zeigt, wie sich der Steuersatz bei steigendem Einkommen verändert – also, wie stark du bei welchem Einkommen besteuert wirst.

Warum ist der Tarifverlauf progressiv?
Weil das Steuerrecht die Leistungsfähigkeit berücksichtigt: Wer mehr verdient, kann mehr zum Gemeinwohl beitragen.

Was ist der Mittelstandsbauch?
Ein Bereich im Tarifverlauf, in dem der Steuersatz stark ansteigt – trifft insbesondere mittlere Einkommen mit vergleichsweise hoher Steuerlast.

Wie wirken sich Bonuszahlungen auf den Tarifverlauf aus?
Sie erhöhen das Einkommen – und können dich in eine höhere Tarifzone bringen → höherer Grenzsteuersatz.

Wie kann ich meinen Steuersatz berechnen?
Mit einem Einkommensteuerrechner oder über die offiziellen Einkommensteuertabellen des BMF.


Fazit: Der Tarifverlauf – Rückgrat eines sozialen Steuersystems

Der Tarifverlauf ist das zentrale Steuerungsinstrument im deutschen Einkommensteuersystem. Er sorgt für eine leistungsfähigkeitsorientierte Besteuerung, bei der die Steuerlast mit dem Einkommen ansteigt. Durch die Kombination von Grundfreibetrag, Progressionszonen und proportionalem Steuersatz entsteht ein ausgewogenes System. Wer den Tarifverlauf versteht, kann Steuerlasten besser einschätzen, gezielt planen und Vorteile nutzen – insbesondere bei schwankendem Einkommen oder Familienplanung. Damit ist der Tarifverlauf nicht nur ein Rechenmodell, sondern ein Spiegelbild sozialer Gerechtigkeit im Steuerrecht.