Volle Erwerbsminderung

Eine schwere Krankheit oder ein Unfall kann die Fähigkeit, im Arbeitsleben zu bestehen, erheblich einschränken. Für Menschen, die kaum noch arbeiten können, bietet die gesetzliche Rentenversicherung eine Absicherung: die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Doch wann liegt volle Erwerbsminderung vor, welche Leistungen gibt es, und worauf sollten Betroffene achten? In diesem Beitrag erfährst du alles Wichtige zur vollen Erwerbsminderung – umfassend, klar und praxisnah.


Was bedeutet volle Erwerbsminderung?

Volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann.

Dabei spielt es keine Rolle, ob passende Arbeitsplätze vorhanden sind oder ob bisherige Qualifikationen berücksichtigt werden können.

📌 Maßgeblich ist allein die objektive Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.


Voraussetzungen für die Rente wegen voller Erwerbsminderung

Medizinische Voraussetzungen

  • Dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen
  • Arbeitsfähigkeit unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

  • Mindestens 5 Jahre Wartezeit (allgemeine Mindestversicherungszeit)
  • In den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge gezahlt

Antragstellung erforderlich

  • Die Rente wird nur auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung gewährt.

Unterschied zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung

KriteriumVolle ErwerbsminderungTeilweise Erwerbsminderung
ArbeitsfähigkeitUnter 3 Stunden täglich3–6 Stunden täglich
Rentenhöhe100 % der vollen RenteEtwa 50 % der vollen Rente
HinzuverdienstgrenzeStrenger geregeltEtwas höhere Freigrenzen

Wie hoch ist die Rente bei voller Erwerbsminderung?

Die Höhe richtet sich nach:

  • Erarbeiteten Entgeltpunkten (Beitragszeiten, Ausbildungszeiten, Kindererziehungszeiten)
  • Zugangsfaktor (je nach Alter bei Eintritt der Erwerbsminderung)
  • Aktuellem Rentenwert

Beispiel:

  • Angesparte Rentenansprüche ergeben 40 Entgeltpunkte.
  • Zugangsfaktor bei voller Erwerbsminderung: 1,0
  • Aktueller Rentenwert (West, 2025): ca. 39,32 €
  • Monatliche Rente = 40 × 39,32 € = 1.572,80 €

📌 Zuschläge durch Zurechnungszeiten (fiktive Weiterführung der Versicherung) können die Rente zusätzlich erhöhen.


Hinzuverdienst bei voller Erwerbsminderung

  • Grundsätzlich möglich, aber sehr begrenzt:
  • 2025: durchschnittliche Hinzuverdienstgrenze etwa 18.558 € jährlich (individuell berechnet).

Achtung:

  • Überschreitung der Grenze → anteilige Kürzung oder Ruhen der Rente
  • Tätigkeiten dürfen die gesundheitliche Leistungsfähigkeit nicht infrage stellen.

Ablauf eines Antrags auf Rente wegen voller Erwerbsminderung

  1. Antragstellung bei der Deutschen Rentenversicherung
  2. Ärztliche Begutachtung und ggf. sozialmedizinische Untersuchungen
  3. Feststellung der Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger
  4. Rentenbescheid: Bewilligung, Befristung oder Ablehnung

📌 In der Regel wird die Rente zunächst befristet auf maximal drei Jahre gewährt.


Befristete und unbefristete Renten

  • Befristete Rente: Meist bei der ersten Bewilligung, um die Entwicklung der Erwerbsfähigkeit zu beobachten.
  • Unbefristete Rente: Wird gewährt, wenn keine Besserung mehr zu erwarten ist.

Verlängerungsanträge sollten frühzeitig – etwa 6 Monate vor Ablauf – gestellt werden.


Berufsschutz und volle Erwerbsminderung

  • Seit 2001 wird nicht mehr der zuletzt ausgeübte Beruf berücksichtigt (außer bei Vertrauensschutz für vor 1961 Geborene).
  • Entscheidend ist die allgemeine Arbeitsfähigkeit auf dem gesamten Arbeitsmarkt.

Rehabilitationsmaßnahmen vor Rentengewährung

  • Grundsatz: „Reha vor Rente“
  • Vor einer Rentenbewilligung prüft die Rentenversicherung, ob medizinische oder berufliche Rehabilitationsmaßnahmen die Erwerbsfähigkeit verbessern könnten.

Typische Fehler beim Umgang mit der vollen Erwerbsminderung

❌ Antrag nicht frühzeitig gestellt → finanzielle Lücke
❌ Hinzuverdienst nicht korrekt gemeldet → Rückforderungen
❌ Arbeitsaufnahme ohne vorherige Prüfung der Auswirkungen auf die Rente
❌ Unvollständige ärztliche Unterlagen → Ablehnung des Antrags


Häufige Fragen (FAQs)

Wann liegt volle Erwerbsminderung vor?
Wenn jemand weniger als drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann – unabhängig von bisherigen Berufen.

Wie lange wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt?
Zunächst befristet, später unbefristet, sofern keine Besserung eintritt. Regelmäßige Überprüfungen sind möglich.

Kann ich neben der Rente arbeiten?
Ja, bis zur individuellen Hinzuverdienstgrenze. Eine Überschreitung kann zur Kürzung oder zum Ruhen der Rente führen.

Was passiert, wenn sich mein Gesundheitszustand verbessert?
Die Rentenversicherung kann die Rente überprüfen und ggf. anpassen oder aufheben.

Wie kann ich die Bewilligungschancen erhöhen?
Durch umfassende ärztliche Dokumentationen, präzise Angaben im Antrag und gegebenenfalls Unterstützung durch Sozialverbände oder Rentenberater.


Fazit: Volle Erwerbsminderung – Sicherheit bei schwerer gesundheitlicher Einschränkung

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung bietet Betroffenen finanzielle Stabilität, wenn sie dauerhaft kaum noch arbeiten können. Voraussetzung sind eine gründliche medizinische Prüfung und eine vollständige Antragstellung. Wer frühzeitig handelt, die Anforderungen kennt und professionelle Beratung nutzt, kann seine Rechte optimal wahrnehmen und seine finanzielle Existenz auch in schwierigen Zeiten absichern.